Kritik

Dieser „Don Giovanni“ ist ein Naturereignis

Erwin Schrott (Archivbild).
Erwin Schrott (Archivbild).(c) imago/SKATA (imago stock&people)
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Im Theater an der Wien wurde ein konzertanter „Don Giovanni“ mit Erwin Schrott zum vollgültigen, bejubelten Opernerlebnis.

„Konzertante Aufführung“ stand auf dem Theaterzettel zu lesen – und vielleicht hatte manch einer nach den überspitzten Currentzis-Darbietungen der Da-Ponte-Opern im Konzerthaus nun eine vergleichsweise hochgeschlossene Lesart erwartet, bei der die Solisten brav ihre Klavierauszüge umblättern. Doch dann entpuppte sich dieser „Don Giovanni“ als fast ungebremst übermütiges, lustvolles Musiktheater. Denn alle sangen nicht nur auswendig, sondern eroberten sich die Bühne körperbetont zupackend und voll goldrichtiger Spielfreude. Hier gelang der Nachweis, dass man „Don Giovanni“ gar nicht umständlich „deuten“ muss, sondern er sich mit den richtigen Leuten gleichsam wie von selbst ergibt.

Es stimmt schon, auch diesmal durfte man nicht jeden Ton auf die Goldwaage legen, und die Strichfassung war merkwürdig – aber was macht das schon? Gentleman-Spitzbub Erwin Schrott kommt mit seiner Bühnenpräsenz einem Naturereignis gleich. Seine Souveränität im Umgang mit dem Notentext würde dort und da nonchalant oder gar fahrlässig erscheinen, wäre sie nicht in jeder Sekunde von prallem Theatergeist erfüllt: Allein wie er die Rezitative mal flüstert, mal spricht, zwischen den Zähnen hervorstößt, in lockerem Parlando fließen lässt oder mit aller Klangfülle ausstattet, gibt der Figur mehr Profil, als jedes Kostüm oder szenische Idee es vermöchte.

Ex-Revoluzzer Giovanni Antonini

Dass Schrott manchmal allzu rau dröhnt und ihm ein schmeichelnd-schwebendes Piano fehlt, selbst angesichts von Giuliana Semenzatos zarter Zerlina, tut der Gesamtwirkung kaum einen Abbruch. Alex Esposito ist ihm als Leporello ein vollgültiger Komplize, der stimmlich ebenso aus dem Vollen schöpfen kann wie an komödiantischem Talent. Und auch Olga Bezsmertna trifft den tragikomischen Charakter der Elvira so genau wie die Noten. Abstriche gab es wieder einmal bei der Donna Anna (Sylvia Schwartz ließ sich wegen Halsentzündung entschuldigen) sowie beim milchig-blassen, wenn auch koloraturgewandten Ottavio von Patrick Grahl. Kaum zu glauben, dass Giovanni Antonini einmal, wie jetzt Currentzis, als Revoluzzer der Szene galt: Am Pult des wackeren, nicht immer geschmeidig-subtilen Basler Kammerorchesters sorgte er für einen dynamisch straffen Ablauf, überließ aber die entscheidenden Impulse den Darstellern.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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