Leichtathletik-WM

Katar, ein Land als sportlicher Nutznießer

Das renovierte Khalifa Stadion ist ab Freitag Schauplatz der Leichtathletik-WM.
Das renovierte Khalifa Stadion ist ab Freitag Schauplatz der Leichtathletik-WM.(c) REUTERS (Fabrizio Bensch)
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Hochkarätige Großevents sollen das internationale Image des Wüstenstaats aufpolieren und die Nachbarn zähmen. Iaaf-Chef Sebastian Coe möchte sich nicht gegen mögliche Proteste stellen, betont aber die Chance.

Doha/Wien. Die am Freitag beginnende Leichtathletik-WM in Doha gehört zum millionenschweren Werbeprogramm des Emirats. Wie die Handball-WM 2015, Rad-WM 2016 und Turn-WM 2018 soll auch sie den internationalen Ruf des Wüstenstaates aufpolieren. Dieser gehört dank der weltweit größten Reserven an Flüssiggas zu den reichsten Ländern der Welt, beutet seine rund zwei Millionen Arbeitsmigranten aber nicht nur auf den Baustellen für die Fußball-WM 2022 aus. Das Turnier in drei Jahren soll die sportlichen Bemühungen der katarischen Scheichfamilie, die auch im Besitz von Paris St. Germain ist, dann krönen.

Neben der Imagekorrektur erfüllt der Sport aber auch eine wichtige Schutzfunktion für Katar in einer feindlich gesinnten Region. Seit 2017 boykottieren Saudiarabien und die Vereinigten Arabischen Emirate den Nachbarn, dem sie Terrorunterstützung vorwerfen. Doch der zeitweise angedachte Angriff würde in Zeiten, in denen ein WM-Gastgeber im Blickpunkt der Welt steht, zu viele Negativschlagzeilen bringen.

Die Leichtathletik-WM ist für Katar zudem ein besonderes Prestigeobjekt, da in der Aspire Academy in Doha eigene Sportler gefördert werden. Hochsprung-Weltmeister Mutaz Essa Barshim ist das lokale Aushängeschild dieser Titelkämpfe. Ob der 28-Jährige gemeinsam mit der Leichtathletik-Elite das 40.000 Zuschauer fassende Khalifa International Stadion zu füllen vermag, ist allerdings sehr fraglich: Zehn Tage vor der WM waren erst 50.000 Tickets verkauft (2017 in London kamen 660.000 Besucher). Berichte, wonach wie in der Vergangenheit Gastarbeiter und Kinder mittels Gratiseintritts die Ränge füllen sollen, dementierten die Veranstalter.

Fehlendes Fan-Interesse, große Hitze und eingeschränkte persönliche Freiheiten – die Kritik an Katar ist groß. Weltverbandspräsident Sebastian Coe, der am Mittwoch ohne Gegenkandidaten wiedergewählt wurde, kündigte an, sich nicht gegen Proteste auf der WM-Bühne zu stellen. Er sei „nicht in der Gemütslage, um Stimmen zum Schweigen zu bringen“, erklärte der Brite der BBC und betonte die Chance durch die WM: „Ich habe noch nie eine Situation erlebt, in der Sport, der ein neues Territorium betritt, nicht die Dinge in sozialer, kultureller und politischer Hinsicht auf positive Art angeschoben hat.“ Ob die Leichtathletik tatsächlich bewegen kann, was zuvor Handball, Radsport und Turnen nicht gelungen ist? (swi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.09.2019)

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