Theater

Hamlet kämpft mit vielen Geistern

Hamlet (Tim Breyvogel) kniet mit großer Geste, dahinter steht sein böser Onkel Claudius (Michael Scherff) mit der Krone, die ihm die Gattin aufsetzt.
Hamlet (Tim Breyvogel) kniet mit großer Geste, dahinter steht sein böser Onkel Claudius (Michael Scherff) mit der Krone, die ihm die Gattin aufsetzt.(c) Alexi Pelekanos
  • Drucken

Rikki Henry hat William Shakespeares mehr als 400 Jahre alte Rachetragödie zügig, aufschlussreich und voll origineller Einfälle inszeniert.

Der Thronsaal ist am Anfang leer, als ob das große Gemetzel im Staate Dänemark, mit dem William Shakespeares „Hamlet“ endet, bereits stattgefunden hätte. Max Lindner hat im Landestheater Niederösterreich auf der Bühne ein von roten Samtvorhängen umgrenztes Rund geschaffen, in dessen Mitte ein leerer Thronsessel steht, darüber ein Galgenstrick und eine mächtige Krone. Niemand da. Romantische Cellomusik setzt ein bei der Premiere am Freitag in St. Pölten. Schon nahen schwankende Gestalten. Ist es der Geist von Hamlets Vater, der dem nach Helsingør zurückgekehrten Prinzen ein Verbrechen verraten wird? Der alte König wurde durch Claudius, den eigenen Bruder, ermordet. Der hat sogleich Hamlets Mutter, Gertrud, geheiratet. Der Geist des Ermordeten befiehlt dem Sohn Rache. Hamlet aber wird stets observiert, muss sich verstellen, um zu überleben. Fünf Akte lang hat er gewaltige Textmengen zu bewältigen, ehe es zum Massaker kommt, das die ganze Familie auslöscht.

Regisseur Rikki Henry nimmt in St. Pölten eine gewagte Abkürzung: Gleich zu Beginn stürzt Hamlet (Tim Breyvogel) tödlich verwundet herein. Der Degen seines Gegners war vergiftet – noch ein Komplott des Claudius (Michael Scherff). Die Königin (Marthe Lola Deutschmann) ist da laut Text bereits tot, sie hatte vom Gift getrunken, das Hamlet zugedacht war. Der liegt nun sterbend an der Rampe, hindert seinen Freund Horatio (Bettina Kerl) daran, solidarisch vom Gift zu trinken. Nein, Horatio solle vom Geschehen berichten. „Der Rest ist Schweigen“, sagt der Held, ehe er verstummt.

In dieser Inszenierung beginnt erst nach Hamlets finalem Satz das Drama zuvor. Henry hat dabei auf viel Stoff verzichtet. So wurden die grausam-spaßigen Totengräberszene und der Beginn mit den Wachen ausgespart, Nebenrollen minimiert. Dafür hört man den berühmten Monolog, der mit „Sein oder Nichtsein“ beginnt, zweimal – erst von Ophelia (Laura Laufenberg, herrlich herb), ehe sie ins Wasser geht, dann von Hamlet, als der Albtraum erneut beginnt. Er begegnet vielen Geistern, besitzt die Gabe, das Geschehen nicht nur souverän zu beobachten, sondern sogar zurückzuspulen. So bringt Hamlet Claudius vor der Pause tatsächlich vorzeitig um, bricht gar der Mutter das Genick: „Und so bin ich gerächt?“, fragt er, um nach der Pause das Rad der Zeit nach Wiederholung des Satzes zurückzudrehen. Er will nicht, dass Claudius, den er beim Beten hätte töten können, in den Himmel kommt.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.