Kritik

Klangforum Wien: Musik wie aus einem Atomreaktor

Klangforum Wien.
Klangforum Wien.(c) Judith Schlosser
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Das Klangforum Wien begann im Konzerthaus seine Saison fulminant mit „In Vain“ von Georg F. Haas.

„It is beautiful“, sagt Legasov (Jared Harris) vor Gericht über den „invisible dance“ der widerstreitenden Kräfte in einem Atomreaktor – solang alles so läuft, wie es soll. Natürlich hat Georg Friedrich Haas' „In Vain“, komponiert im Jahr 2000, nichts zu tun mit der aktuell international gefeierten TV-Miniserie „Chernobyl“ und der darin nachgezeichneten Katastrophe, und ganz gewiss schielt diese Musik nicht auf eine Verwertbarkeit als Soundtrack. Aber gibt es, zumal aus den letzten paar Jahrzehnten, ein zweites Stück, das in rund 70 Minuten auf ähnlich fesselnde Art den angesprochenen unsichtbaren Reigen von Schönheit und Gefahr, von Faszination und Grauen erlebbar machen kann? Die Metaphorik rund um Mikrotonalität und Teiltonreihen, die Haas virtuos und mit schlagend emotionaler Wirkung anzuwenden weiß, scheint mit dem Spalten von kleinen und noch kleineren Einheiten einschlägige Assoziationen geradezu aufzudrängen. Aber zugleich möchte man „In Vain“ schützen vor allzu konkreten Zuschreibungen und Einengungen.

Nein, das Stück wahrt seine Selbstständigkeit. Wer vom letzten Hören vor allem die hyperaktiven Tonleiter- und Spiralbewegungen à la M. C. Escher in Erinnerung hatte, dem brannten sich beim wunderbar geschmeidigen, schillernden Klangforum nun die Extremwerte seliger wie unseliger Klänge desto stärker ins Gedächtnis. Alles beginnt so, als würde es gleich enden: mit herabrieselnden, plätschernden Tönen, die sich wie Sediment abzulegen scheinen. Doch das täuscht. Schrille Glissandotöne durchschneiden einander, sengen sich ins Trommelfell, schreien Alarm.

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