Junge Forschung

Interaktiver Zugang zum Gehirn

„Ich bin eine Art Informatik-Neurobiologie-Dolmetscher“, scherzt Florian Ganglberger.
„Ich bin eine Art Informatik-Neurobiologie-Dolmetscher“, scherzt Florian Ganglberger.(c) Michèle Pauty
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Der Informatiker Florian Ganglberger arbeitet eng mit Gehirnforschern zusammen, die die Zusammenhänge zwischen Genen und Gehirnschaltkreisen verstehen wollen.

Mit zehn Jahren wollte Florian Ganglberger Weltraumwissenschaftler werden. Da aber zu seiner Faszination für Forschung und Naturwissenschaften bald eine Computerleidenschaft hinzukam, hätte er nach der Matura am liebsten so etwas wie Astroinformatik studiert, um all das zu vereinen. „Dieses Fach gab es leider nicht an den Unis“, sagt er mit nicht ganz ernst gemeintem Bedauern. Seine frühen Neigungen kann der Oberösterreicher nämlich trotzdem gut ausleben: Anstelle des Alls erkundet er nun eben das Gehirn. Ganglberger hat an der Technischen Universität Wien Medizinische Informatik studiert und forscht am Wiener Zentrum für Virtual Reality und Visualisierung (VRVis) an neurobiologischer Bildgebung.

„Ich untersuche, wie man riesige Datenmengen so aufbereitet, dass Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sie effizient zur Beantwortung ihrer Fragestellungen nutzen können“, erklärt der 30-Jährige seinen Forschungsfokus. Denn müssten sie Zehntausende Bilder von Neuronen oder Gehirnnetzwerken mit Milliarden von Verbindungen einzeln sichten, wären sie wohl lang beschäftigt. Ganglberger hat im Zuge seiner kürzlich abgeschlossenen Dissertation ein Computerprogramm entwickelt, mit dem Gehirnforscher gezielt nach den Informationen suchen können, die sie interessieren.

„Webshop“ für Gehirnforscher

Die Basis sind Daten, die beschreiben, wie bestimmte Gehirnregionen strukturell, genetisch und funktionell miteinander in Zusammenhang stehen. Sie lassen sich außerdem mit räumlichen Daten, etwa aus MRT-Aufnahmen, verknüpfen. „So kann man sich zum Beispiel anschauen, in welchen Arealen bestimmte Gene aktiv sind und ob und wie sie andere Hirnbereiche aufgrund neuronaler Verbindungen beeinflussen.“ Zusammen mit Kooperationspartnern des VRVis wird diese Software laufend erweitert.

„Man kann sich das vorstellen wie in einem Buchladen“, schildert Ganglberger. „Wir Informatiker sortieren zunächst die Daten, etwa nach Alphabet, Kategorie oder Inhalt.“ So wie Buchhändler einen Index heranzögen, um das Passende für ihre Kunden zu finden. Die Analogie geht aber noch weiter: „Was wir dann damit machen, funktioniert wie ein Webshop, in dem man gezielt nach Themen suchen, filtern und zusätzliche Aspekte wie Lesezeit, Reviews oder Bewertungen einsehen kann.“ Fast wie Buchkäufer wühlen sich die Neurowissenschaftler durch die Informationen.

„Der Austausch mit ihnen ist ein essenzieller Teil meiner Arbeit“, sagt Ganglberger. „Schließlich muss ich die Herkunft, Bedeutung und Eigenschaften der Daten verstehen.“ Gerade den Blick über die Schultern der Forschenden aus anderen Fachrichtungen finde er besonders spannend. Schon bei seiner Diplomarbeit zur Bilddatenanalyse von Fruchtfliegenneuronen hat er mit Biologen kooperiert. Deren Labor befand sich zufällig im selben Gebäude wie das Forschungszentrum für molekulare Medizin (CeMM), wo er damals einen Studentenjob hatte. „Während ich untertags am CeMM Daten aus der Krebsforschung visuell und statistisch aufbereitet habe, habe ich nachts ein paar Meter weiter meine ersten Schritte mit neurobiologischen Daten gemacht.“

Aus derselben Zeit datiert sein Kontakt zu einer VRVis-Forscherin, die ebenfalls am Fruchtfliegen-Projekt beteiligt war. Als er sie eineinhalb Jahre später bei einer Tagung wiedertraf, bot sie ihm eine Doktorandenstelle am VRVis an. „Dafür musste ich ein Doktoratsstudium an der Med-Uni Innsbruck zu computerassistierter Chirurgie aufgeben, doch ich habe es nie bereut.“ Die Datenanalyse habe ihn einfach stärker angezogen.

Im Übrigen sei auch Work-Life-Balance ein wichtiges Thema für Jungforscher, meint er. „Der Publikationsdruck ist hoch.“ Erholung finde er im Sport, aber mehr noch bei Quiz-Spielen. „Man könnte sagen, dass sich mein Wissensdurst in die Freizeit überträgt.“ Wöchentlich trifft er sich mit dem Freundeskreis in einem Lokal zum Pubquiz, im Mai übernahm er erstmals die Rolle des Quizmasters. „Dabei konnte ich es mir nicht verkneifen, meiner Freundin die Frage aller Fragen zu stellen.“

ZUR PERSON

Florian Ganglberger (30) studierte nach der HTL für Informatik in Perg an der TU Wien Medizinische Informatik. Seit 2014 forscht er am VRVis zu neurobiologischer Datenanalyse. Parallel absolvierte er in Kooperation mit Wulf Haubensak am Forschungsinstitut für Molekulare Pathologie (IMP) sein Doktorat zu diesem Thema an der TU Wien. Im September hat er promoviert.

Alle Beiträge unter: www.diepresse.com/jungeforschung

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.10.2019)

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