Verkehr: Stromtankstellen rentieren sich nicht

(c) Michaela Bruckberger
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1,1 Mrd. Euro kostet die Bereitstellung einer Lade-Infrastruktur für Elektroautos, so eine Studie. Mit dem Stromverkauf allein lässt sich das nicht zurückverdienen.

Wien (jaz). Kaum ein Thema beeinflusst die globale Autoindustrie zurzeit so stark wie die Elektromobilität. Auf Automessen sind lautlos fahrende Prototypen im Kleinwagenformat die großen Stars und stellen sogar teure Sportwagen in den Schatten. Und auf der Straße sorgen verkehrstaugliche Vorreitermodelle wie der Tesla Roadster für Aufmerksamkeit und große Hoffnungen auf eine CO2- und abgasfreie automobile Zukunft. Doch abseits der Euphorie gibt es noch eine ganze Reihe offener Fragen, die beantwortet werden müssen, damit die Visionen auch in die Realität umgesetzt werden können. Das ist das Ergebnis einer Studie der Unternehmensberatung A.T. Kearney, die am Montag präsentiert wurde.

So sei vor allem der Aufbau der Lade-Infrastruktur eine entscheidende Voraussetzung, sagt Robert Kremlicka, Geschäftsführer von A.T. Kearney Österreich. Für diese müssten bis zum Jahr 2020 über 500 Mio. Euro und zwischen 2020 und 2030 weitere 600 Mio. ausgegeben werden. „Mit diesen Investitionen könnte man hierzulande etwa 230.000 öffentliche Stationen in Einkaufszentren oder öffentlichen Parkgaragen und rund 520.000 Stationen in privaten Garagen errichten“, so Kremlicka. Diese Zahl an Ladestationen würde es Besitzern von Elektroautos ermöglichen, sich auch abseits ihres Heimatortes zu bewegen. In gewissen Gebieten – beispielsweise eng bebauten Wiener Bezirken – könnten Autobesitzer ohne eine eigene Garage aber auch dann noch Schwierigkeiten haben, freie Ladestationen zu finden.

Nur wenig zusätzlicher Strom

Darüber hinaus ist völlig unklar, wer die Investitionskosten von 1,1 Mrd. Euro tragen soll. „Am logischsten wäre, wenn die Energieversorger diese Aufgabe übernähmen, da sie ja zusätzliche Umsätze erhalten“, sagt Kremlicka. Allerdings würden die Umsätze nicht ausreichen, um die Investitionskosten wieder zurückzuverdienen. Denn laut den Berechnungen in der Studie bringen Elektroautos 2020 maximal 45 Mio. Euro pro Jahr an zusätzlichen Umsätzen beim Stromverkauf. Bis 2030 steigt dieser Wert zwar auf 390 Mio. Euro, dies sei aber immer noch zu wenig, um innerhalb der auf sechs bis acht Jahre geschätzten Nutzungsdauer der Stromtankstellen die Investitionskosten zu erwirtschaften. „Entweder der Staat subventioniert den Infrastruktur-Aufbau, oder die Stromversorger müssen sich ein Geschäftsmodell über den Verkauf des Stroms hinaus überlegen“, so Kremlicka.

Doppelte Kosten für Fiskus

Doch auch die öffentliche Hand müsse sich überlegen, welche Bereiche sie fördern und wo sie Schwerpunkte setzen möchte. In Summe gebe es derzeit Förderungen in Höhe von rund 65 Mio. Euro für das Thema Elektromobilität. „Das ist nicht wenig Geld. Es muss aber auch zielgerichtet verwendet werden.“ So mache es keinen Sinn, den gleichen Praxistest mit Elektroautos in Bregenz und in Eisenstadt durchzuführen. „Da werden dann die gleichen Erfahrungen zweimal gemacht.“

Zudem sorgen Elektroautos beim Finanzminister sowieso für doppelte Kosten. Denn einerseits werden öffentliche Förderungen benötigt, damit die Technologie in Schwung kommt. Andererseits bringt eine immer größere Zahl an Elektroautos Ausfälle bei der Mineralölsteuer mit sich. Die Studie erwartet bis 2020 einen Bestand von 100.000 Elektroautos auf Österreichs Straßen. Das wären 2,3 Prozent des Gesamtbestands. Bis 2030 soll diese Zahl auf 650.000 oder 15,7 Prozent ansteigen.

Herausforderungen bringt Elektromobilität in Österreich aber nicht nur auf der Anwenderseite. So hat die neue Technik auch auf die heimischen Autozulieferer eine große Auswirkung. „Rund 40 Prozent der Teile eines konventionellen Autos werden in Elektroautos nicht benötigt“, sagt Kremlicka. Die Hersteller dieser Teile müssten sich daher alternative Produkte überlegen. Im Gegenzug gibt es aber auch neue Geschäftschancen für Hersteller elektrischer Komponenten, die bisher nicht als Autozulieferer aktiv waren.

Lexikon: Wie CO2-neutral sind Elektroautos?

Der große Vorteil von Elektroautos ist, dass sie beim Fahren keine Abgase und somit auch kein CO2 emittieren. Dies bedeutet aber nicht, dass der Betrieb vollkommen CO2-neutral ist. Dies ist er nämlich nur dann, wenn auch der Strom CO2-neutral – aus erneuerbaren Quellen wie Wind, Solar, Wasserkraft oder Nuklearenergie – gewonnen wird.
Mit dem derzeitigen Strom-Erzeugungsportfolio der EU kommen heutige Elektroautos auf einen CO2-Ausstoß von knapp 120 Gramm je Kilometer. Dies liegt zwar unter dem Durchschnitt der Fahrzeugflotte auf den Straßen (140 Gramm), aber etwa über einem Smart Fortwo (88 Gramm). In Österreich „emittiert“ ein Elektroauto – dank der Wasserkraft – nur rund 50 Gramm je Kilometer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.06.2010)

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