Dokumentation

Schwarze Gegenwehr in den Südstaaten

Die Doku „What You Gonna Do When the World's on Fire?“ porträtiert stark und subtil schwarze Communitys.

2015 spürte der italienische Dokumentarist Roberto Minervini in „The Other Side“ in Louisiana finstere Nachbarschaften samt Drogenküchen und brennenden Obama-Masken auf. In „What You Gonna Do When the World's on Fire?“ bleibt er dort, passiert aber auch die Grenze zu Mississippi. In der Hauptstadt Jackson hat sich 2017 ein Mord zugetragen: Der 30-jährige Jeremy Jackson wird enthauptet, sein Kopf taucht auf der Vortreppe eines Hauses wieder auf. Die Tat mit höchstwahrscheinlich rassistischem Hintergrund wird von der Polizei als Delikt innerhalb der afroamerikanischen Community abgetan. Diese fühlt sich in ihrer Angst vor ähnlichen Verbrechen im Stich gelassen. Und genau dort, bei den Übergangenen, setzt Minervini an.

In „The Other Side“ erschienen die Abgedrängten der „Greatest Nation on Earth“ als mal liebenswerte, mal abstoßende Konsumenten illegaler Substanzen, die sich im Rausch abkapselten, aber auch zur Waffe griffen, um sich für den Bürgerkrieg zu wappnen. Donald Trump als US-Präsident schimmerte da noch am Horizont. In „What You Gonna Do When the World's on Fire?“ ist er es längst. Aber Minervini ist weitergezogen, in einen anderen Süden, wo auch Wut und Verzweiflung herrschen, das Repertoire zur Gegenwehr ein anderes ist.

Die „New Black Panther Party“

Ein Kampfgerät in diesem Arsenal hört auf den Namen „New Black Panther Party for Self-Defense“. Im Film begegnen einem die Anhänger der Bewegung mit schmalen Sonnenbrillen, Stiefeln und Baretten. Sie ziehen durch die Straßen, skandieren „Black Power!“ und haben sich der selbstständigen Aufklärung des Falls Jeremy Jackson verschrieben. Das ist eindrücklich. Aber für Minervini sind die New Black Panthers nur Bestandteil eines komplizierteren Prozesses. Im Kern geht es darum, nicht nur soziale, sondern auch innere Schranken zu überwinden.

Botschafterin dieser Idee ist Judy Hill, die bekennt: „Back in the days, you were quiet.“ Heute möchte sie nicht mehr still sein. Die Antwort auf die Frage des Filmtitels gestaltet sich aber nicht für alle so. Dem Teenager Ronaldo, der sich von den Lehrern schikaniert fühlt, schärft die Mutter ein, nur noch mit „Okay, yes ma'am, yes sir“ zu reagieren. Diese aus Angst und Trotz geborene Haltung nährt neue Aggressionen. Roberto Minervini arbeitet dieses Dilemma, auch anhand der grandiosen Schwarz-Weiß-Bilder Diego Romeros, klug und subtil heraus. Das ist, zumindest vorerst, seine Antwort.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2019)

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