Demokratie-Proteste

US-Kongress will Hongkong unterstützen – Peking protestiert scharf

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Ein Gesetzesentwurf sieht wirtschaftliche Sanktionen vor, sollte die Autonomie der chinesischen Sonderverwaltungszone untergraben werden. Im Hongkonger Parlament kam es am Mittwoch zu tumultartigen Szenen. Ein Demokratieaktivist wurde von Schlägern schwer verletzt.

Die Annahme eines Gesetzentwurfs im amerikanischen Abgeordnetenhaus zur Unterstützung von Demokratie und Bürgerrechten in Hongkong hat eine heftige Verstimmung zwischen China und den USA ausgelöst. Ein Sprecher des Außenministeriums in Peking äußerte am Mittwoch "große Empörung und entschiedenen Widerstand". Den US-Parlamentariern wurde "schwere Einmischung in innere Angelegenheiten" vorgeworfen.

Mit dem Votum unterstützten sie offen "die antichinesischen Unruhestifter in Hongkong", hieß es in weiteren Erklärungen chinesischer Regierungsstellen. Die peking-treue Regierung der chinesischen Sonderverwaltungsregion äußerte ihr "Bedauern" über die Annahme des Entwurfs am Vortag in Washington sowie einen weiteren Beschluss, die Lieferung von Tränengas und Polizeiausrüstung zur Kontrolle von Demonstranten nach Hongkong aussetzen zu wollen. Menschenrechte und Freiheiten würden geschützt, wurde beteuert. Der Grundsatz "ein Land, zwei Systeme", nach dem die frühere britische Kronkolonie seit der Rückgabe an China 1997 autonom regiert wird, sei erfolgreich umgesetzt worden.

Der US-Gesetzentwurf für Menschenrechte und Demokratie in Hongkong schreibt wirtschaftliche Sanktionen vor, wenn die Autonomie Hongkongs untergraben wird. Auch soll verfolgt werden, ob die Volksrepublik die Bürgerrechte und Rechtsstaatlichkeit in Hongkong untergräbt. Dafür ist eine jährliche Überprüfung geplant. Das Gesetz sieht ferner Strafmaßnahmen gegen Politiker vor, die Freiheitsrechte von Hongkongern verletzt haben.

Lam muss per Video zu Bürgern sprechen

Die Entwürfe müssen noch in den Senat, genießen aber parteiübergreifend große Unterstützung bei Republikanern und Demokraten. Am Ende müsste auch US-Präsident Donald Trump die Gesetze noch unterzeichnen. Schon das erste Votum im US-Kongress löste aber heftige Reaktionen aus. Ein Sprecher des Büros des chinesischen Außenministeriums in Hongkong warf den amerikanischen Parlamentariern "Gangsterlogik und Vorherrschaftsdenken" vor.

Nach der Sommerpause kam am Mittwoch das Hongkonger Parlament erstmals wieder zusammen. Dabei kam es zu chaotischen Szenen. Regierungschefin Carrie Lam hat ihre Regierungserklärung im Stadtparlament abbrechen müssen. Pro-demokratische Abgeordnete störten den Auftritt der Peking-treuen Politikerin mit lauten Zwischenrufen. Lam versuchte zweimal, ihre Rede zu halten.

Sie gab daraufhin den Versuch auf, ihre Regierungserklärung direkt vor dem Parlament abzugeben und griff auf eine Aufzeichnung der Rede zurück. Darin erklärte Lam, in den vergangenen vier Monaten habe es mehr als 400 Kundgebungen in der Finanz- und Wirtschaftsmetropole gegeben. Anhaltende Gewalt und verbreiteter Hass schadeten den Grundwerten der Stadt, sagte Lam. Ihre Regierung werde am Prinzip "Ein Land, zwei Systeme" festhalten. Rufe nach einer Unabhängigkeit der chinesischen Sonderverwaltungszone werde sie nicht tolerieren.

Spannungen nach Vermummungsverbot verschärft

Ein großer Streitpunkt ist Lams Rückgriff auf ein koloniales Notstandsrecht, mit dem sie vor zwei Wochen ein Vermummungsverbot verhängt hatte. Der Bann soll den nicht frei gewählten Abgeordneten, die mehrheitlich loyal zu Peking stehen, jetzt zur Annahme vorgelegt werden.

Indem die Regierungschefin das fast 100 Jahre alte Notstandsrecht bemüht hatte, wurden die Spannungen in Hongkong noch verschärft. Es kam zu heftigen Protesten, bei denen Hunderte festgenommen wurden. Das Notstandsgesetz von 1922 war zuletzt bei Unruhen 1967 angewandt worden. Ein Hongkonger Gericht ließ am Sonntag eine gerichtliche Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit des Vorgehens zu, die für Ende des Monats terminiert wurde. Das Notstandsrecht gibt weitreichende Vollmachten und würde auch längere Festnahmen, Zensur oder die Unterbrechung von Kommunikationskanälen erlauben.

Prominenter Aktivist mit Hammer angegriffen

Seit fünf Monaten demonstrieren die Menschen in Hongkong schon gegen ihre Regierung und den wachsenden Einfluss der kommunistischen Pekinger Führung auf das autonom regierte Territorium. Die sieben Millionen Hongkonger stehen unter Chinas Souveränität, genießen aber - anders als die Menschen in der kommunistischen Volksrepublik - mehr Rechte wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit, um die sie jetzt fürchten.

Einer der Anführer der Hongkonger Demokratiebewegung wurde am Mittwoch von einem mit Hammern bewaffneten Schlägertrupp angegriffen worden. Jimmy Sham sei mit einer blutenden Kopfwunde ins Krankenhaus eingeliefert worden, teilte dessen Protestgruppe Civil Human Rights Front (CHRF) am Mittwoch mit.

CHRF-Chef Sham sei von vier bis fünf nicht identifizierten Schlägern im Viertel Mongkok angegriffen und verletzt worden. Beim Eintreffen der Rettungskräfte sei er bei Bewusstsein gewesen.

Auf im Internet veröffentlichten Fotos ist Sham in einer Blutlache auf der Straße liegend zu sehen. CHRF setzt sich für gewaltfreie Proteste ein und organisierte im Sommer einige der größten Demonstrationen in der chinesischen Sonderverwaltungszone.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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