Forschungsgelder

Klement Tockner: „Mut, etwas völlig Neues zu wagen“

Nach deutschem oder Schweizer Vorbild will Tockner hochriskante Grundlagenforschung fördern.
Nach deutschem oder Schweizer Vorbild will Tockner hochriskante Grundlagenforschung fördern.(c) Clemens Fabry
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Mit einem neuen Programm will der Wissenschaftsfonds FWF ab Mitte November unkonventionelle Ideen finanzieren und damit auch die Forschungskultur beeinflussen.

Die Presse: Das „1000 Ideen“-Programm des FWF soll besonders riskante Forschungsprojekte fördern. Waren Österreichs Forscher denn bisher zu risikoscheu?

Klement Tockner: Nein, jedoch glaube ich, dass viele österreichische Wissenschaftler gern viel risikofreudiger wären. Das derzeit vorhandene Umfeld ermöglicht es ihnen aber oft nicht, weil es dafür keine Formate gibt. Das ist eine Lücke, denn die meisten Förderformate verlangen, dass man schon Vorarbeiten geleistet hat. Nur bezahlt niemand diese Vorarbeiten. Wir wissen auch, dass Innovation sehr oft nicht vom Kern, sondern von den Rändern ausgeht, daher wollen wir Forschende ermutigen, ausgesprochen unkonventionelle Ideen zu verfolgen.

Haben Sie dafür internationale Vorbilder?

Ja, die deutsche Volkswagenstiftung hat beispielsweise so ein Programm, oder auch der Schweizer Nationalfonds. Die haben auch zu einer Mobilisierung von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern geführt, die normalerweise keinen Antrag stellen.

Mit welchen Kriterien schließen Sie obskure Anträge aus?

Die Grundvoraussetzungen, um einen Antrag zu stellen, sind die gleichen wie bei normalen FWF-Projekten. Das heißt, man muss nachweisen, dass man wissenschaftlich arbeitet und publiziert, das gehört zur Prüfung der Antragsberechtigung beim FWF. Dann muss natürlich auch eine überzeugende und schlüssige Beschreibung des Projekts enthalten sein, ebenso wie eine Risikoabschätzung, die eine internationale Jury bewertet. Im Vordergrund stehen vielversprechende Ideen und natürlich der Mut, diese umzusetzen.

Ein höheres Risiko bedeutet aber auch, dass die Wahrscheinlichkeit zu scheitern größer ist. Bei welchem Resultat würden Sie das „1000 Ideen“-Programm als Erfolg bezeichnen?

Salopp formuliert: Wenn zehn Prozent der geförderten Projekte erfolgreich eine größere Förderung im Anschluss erhalten, etwa einen ERC-Grant oder Start-Preis, und wenn auch nur ein Prozent einen echten wissenschaftlichen Durchbruch erzielt, dann wäre das ein absoluter Erfolg. Aber ich denke, der Erfolg wird sich auch in der veränderten Forschungskultur und in dem Selbstvertrauen der Wissenschaftler zeigen, deren Mut, etwas völlig Neues zu wagen, durch das „1000 Ideen“-Programm weiter gefördert wird.

Vergangenes Jahr haben Männer doppelt so viele Förderanträge beim FWF gestellt wie Frauen – welche Maßnahmen sind geplant, um dieses Verhältnis in Zukunft geradezurücken?

Das ist ein wichtiger Punkt. Wenn wir es nicht schaffen, viel mehr Frauen für die Forschung zu gewinnen, wäre das ein riesiger Verlust an Kreativität, Ideen und Diversität. Wir sind derzeit in einem Diskussionsprozess, wie wir die Karriereprogramme so weiterentwickeln können, dass wir zukünftig Gleichstellung erreichen. Wir allein können das Problem des zu geringen Frauenanteils in der Spitzenforschung aber nicht lösen. Das ist eine Aufgabe, die nur im gemeinsamen Zusammenwirken mit den Institutionen und der Politik gelöst werden kann. Wir haben beim FWF eine Reihe an begleitenden Maßnahmen, um Wissenschaftlerinnen zu unterstützen und zu fördern. Fakt ist auch, dass die Bewilligungsquoten von Männern und Frauen beim FWF sehr nahe beieinanderliegen. Wenn aber insgesamt zu wenige Frauen Anträge stellen, ist unser Einfluss begrenzt.

Welche finanziellen Rahmenbedingungen erwarten Sie sich von einer zukünftigen Regierung, um die Programme des FWF weiter ausbauen zu können?

Unsere Spitzenforscher würden dringend einen ambitionierten Wachstumspfad von zumindest sieben Prozent unseres Fördervolumens pro Jahr für die nächsten zehn Jahre sowie ein umfangreiches Exzellenzprogramm benötigen. Ohne diesen Wachstumspfad wäre ein neues Forschungsfinanzierungsgesetz nichts anderes als gesetzlich festgeschriebener Stillstand. Und das wird und kann kein Ziel einer Bundesregierung sein.

ZUR PERSON

Klement Tockner ist Professor für Aquatische Ökologie an der freien Universität Berlin und Präsident des österreichischen Wissenschaftsfonds FWF, einer Einrichtung zur Förderung der Grundlagenforschung. Tockner promovierte 1993 an der Universität Wien in den Fächern Zoologie und Botanik, 1996 wechselte er an die ETH Zürich, wo er 2005 zum Titularprofessor ernannt wurde. Von 2007 bis 2016 war er Direktor des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2019)

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