Investment-Trends

Betreutes Wohnen statt Seniorenheim

Geplantes Gebäude für betreutes Wohnen im Grazer Stadtteil Lend.
Geplantes Gebäude für betreutes Wohnen im Grazer Stadtteil Lend. (c) Silver Living
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Betreutes Wohnen sei die kommende Assetklasse für Investoren, sagen Experten. Die öffentliche Hand werde den Bedarf nicht decken können, verschiedene Anlageformen machen daher Privaten ein Engagement schmackhaft.

„Es sind sehr viele alte Menschen in Pflegeheimen untergebracht, die aufgrund ihrer Agilität dort eigentlich gar nicht hingehören“, sagt Wolfgang Stabauer, Geschäftsführer der Öko-Wohnbau. Die Betroffenen wären fit genug, um in Wohnformen zu leben, die einen selbstbestimmteren Alltag ermöglichen – zum Beispiel im betreuten Wohnen. „Solche Einrichtungen gibt es in Österreich allerdings zu wenige“, konstatiert der Immobilienfachmann. Er sieht hier eine Marktlücke, die betreutes Wohnen für Investoren interessant macht. Experten schätzen, dass in den nächsten zehn Jahren Geldmittel in der Höhe von rund 15 Milliarden Euro nötig sein werden, um die Bedarfslücke zu schließen.

Private Anleger gesucht

Derzeit werde etwa die Hälfte des Markts von gemeinnützigen Genossenschaften bedient, die meist im Auftrag einer Gemeinde oder eines Landes solche Wohnungen errichtet, weiß Walter Eichinger, Geschäftsführer von Silver Living, dem heimischen Marktführer, was den frei finanzierten Bau von Seniorenwohnanlagen betrifft.

Doch die öffentliche Hand werde künftig den Bedarf kaum decken können: In den nächsten zehn Jahren wird die Zahl der Österreicherinnen und Österreicher, die älter als 60 sind, von derzeit rund 2,2 auf etwa 2,8 Millionen steigen. Bis zum Jahr 2050 wird die Zahl der über 80-Jährigen laut Schätzungen von Statistik Austria dank der alternden Babyboomer-Generation die Millionengrenze überschreiten (derzeit rund 400.000). Gleichzeitig werde die Betreuung der Senioren durch Angehörige an Bedeutung verlieren, da die Berufstätigen immer mobiler werden und daher immer seltener am selben Ort leben wie ihre betagten Eltern oder Großeltern. Private Bauträger, Projektentwickler und Investoren entdecken daher zunehmend das Potenzial, das in diesem Bereich steckt. Betreutes Wohnen zeichnet sich durch Barrierefreiheit aus, die grundsätzlich in jeder Lebenslage von Vorteil ist: Türen sind stufenlos und so breit, dass ein Rollstuhl hindurch kann, Bodenbeläge müssen rutschfest sein, und im Bad sowie im WC sind spezielle Haltegriffe Pflicht (siehe auch nächste Seite). Dazu kommt die Betreuungsleistung: Eine Ansprechperson ist immer vor Ort. Damit wird rasche Hilfe im Notfall sichergestellt.

Begehrtes Bauherrenmodell

Besonders gewinnversprechend für Investoren sei die Beteiligung an einem Bauherrenmodell, empfiehlt Eichinger. Dabei finanzieren mehrere Anleger gemeinsam die Sanierung eines Altobjekts oder die Neuerrichtung und erwerben dabei Anteile am Gebäude. Das bringt ihnen neben der Eintragung ins Grundbuch zunächst Förderungen und Steuervorteile: Die Anfangsinvestitionen können als Verluste geltend gemacht werden, darüber hinaus ist in der Folge eine Abschreibung der Baukosten über 15 Jahre möglich, wodurch sich in diesem Zeitraum die Einkommenssteuer verringert. Allerdings muss man es sich leisten können, die Investitionssumme während einer meist zwei- bis dreijährigen Vorlaufs- und Sanierungsphase hinzulegen, ohne noch Mieteinnahmen zu lukrieren. Wer das bei betreuten Wohneinheiten macht, könne später aufgrund der Bevölkerungsprognosen mit dauerhaften Vermietungen und daher mit sicheren Renditen rechnen, sagt Eichinger. „Zudem zeigt die Erfahrung, dass die Instandhaltungskosten niedrig sind, da ältere Menschen mit Immobilien in der Regel sehr sorgsam umgehen.“

Die Förderungen für das Bauherrenmodell sind je nach Bundesland unterschiedlich. Um den Privaten ein Engagement schmackhaft zu machen, hat man in der Steiermark die Richtlinien besonders liberal gestaltet. Das größte „Zuckerl“: Die Bauherren dürfen nicht nur ideelle Anteile, sondern konkrete Wohnungen erwerben. Das ist in keinem anderen Bundesland möglich. Theoretisch können die Investoren daher nach Ablauf der gesetzlich vorgeschriebenen 20-Jahre-Frist, wenn sie vielleicht selbst schon älter sind, ihre Wohnung für den Eigenbedarf nutzen. Diese Variante vereint somit die Vorteile des Bauherrenmodells mit jenen der Vorsorgewohnung.

Dass sich jemand eine Vorsorgewohnung in einer betreuten Wohnanlage kauft, um sie zumindest bis zum allfälligen Eigenbedarf an Senioren zu vermieten, ist möglich, kommt aber selten vor. „Der Markt in Österreich ist dafür, im Gegensatz beispielsweise zu jenem in Deutschland, nicht reif“, befindet Stabauer. Was hierzulande schwer Mieter findet, seien betreute Wohnungen im Luxus-Segment, inklusive Concierge-Service und weiterer Dienstleistungen, ergänzt Martin Müller, Geschäftsführer von JP Immobilien. „Wer so viel Geld hat, holt sich offenbar lieber Pflegepersonal in die eigene Villa, als für mehrere Tausend Euro pro Monat in eine solche Wohnung zu ziehen.“ Die mittlere Preiskategorie hingegen boome.

Während also immer mehr Investoren ihr Geld in betreute Wohnobjekte stecken, ortet Wolfgang Stabauer schon den nächsten für Anleger interessanten Trend: generationenübergreifendes Wohnen, wie es die Öko-Wohnbau mit einem aktuellen Projekt im aufstrebenden Grazer Stadtbezirk Lend vorzeigt. Einrichtungen für verschiedene Altersgruppen – vom betreuten Wohnen über „normale“ Mietwohnungen für Jungfamilien und Studenten bis hin zur Kinderkrippe – sorgen hier für eine bunte soziale Durchmischung.

AUF EINEN BLICK

Bauträger, Projektentwickler und Investoren entdecken das Potenzial, das in betreuten Modellen für Seniorenwohnen liegt. Als besonders gewinnversprechend gilt das Bauherrenmodell: Mehrere Anleger finanzieren gemeinsam die Neuerrichtung und erwerben dabei Anteile am Gebäude. Das bringt neben der Eintragung ins Grundbuch Förderungen und Steuervorteile, wobei die Förderungen je nach Bundesland unterschiedlich sind.

Dass eine Vorsorgewohnung in einer betreuten Wohnanlage gekauft wird, um sie bis zum Eigenbedarf an Senioren zu vermieten, ist in Österreich noch fast unbekannt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.10.2019)

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