Libanons Premier ist bereit, die neue Regierung anzuführen. Seit fast zwei Wochen demonstrieren Tausende gegen Misswirtschaft und Korruption.
Beirut. Einen Tag nach seinem Rücktritt erwägt der libanesische Premier, Saad al-Hariri, offenbar, auch die zukünftige Regierung anzuführen. Hariri sei dazu bereit, teilte einer seiner Vertrauten am Mittwoch mit. Voraussetzung sei aber, dass dem neuen Kabinett Fachleute angehörten, die rasch Reformen gegen den wirtschaftlichen Zusammenbruch umsetzen könnten. Die andauernden landesweiten Proteste, die Hariri zum Rücktritt gezwungen hatten, gingen indes weiter.
Seit fast zwei Wochen demonstrieren Tausende gegen Misswirtschaft und Korruption in dem heillos überschuldeten Mittelmeerstaat, der in einer tiefen wirtschaftlichen Krise steckt. Trotz Hariris Rücktritt entspannte sich auch die politische Lage am Mittwoch nicht. Zahlreiche Demonstranten harrten im Zentrum der Hauptstadt Beirut aus, um den Druck auf die Parteien aufrechtzuerhalten.
Protest gegen Steuerpläne
Präsident Michel Aoun hatte am Dienstag zwar den Rücktritt Hariris angenommen, diesen jedoch gebeten, geschäftsführend im Amt zu bleiben, bis eine neue Regierung gebildet worden ist. Das dürfte in der polarisierten Parteienlandschaft des Libanon allerdings schwierig werden. Insofern bedeutete der Rücktritt Hariris nicht das Ende der politischen Krise.
Viele Demonstranten wollen auf der Straße bleiben. Die Proteste hatten sich am 17. Oktober an Plänen zur Einführung einer Steuer auf Whatsapp-Anrufe entzündet und rasch gegen die politische Führung gerichtet. Viele fordern eine Reform des politischen Systems, in dem die Spitzenposten nach Konfessionen vergeben werden. Der Iran warf indes den USA, Saudiarabien und Israel vor, hinter den Protesten im Libanon und dem Irak zu stehen. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.10.2019)