Rugby

Viel mehr als ein WM-Finale

Südafrikas Spieler bereiteten sich intensiv auf den Showdown mit den favorisierten Engländern vor.
Südafrikas Spieler bereiteten sich intensiv auf den Showdown mit den favorisierten Engländern vor.(c) APA/AFP/ADRIAN DENNIS (ADRIAN DENNIS)
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Für Südafrika geht es heute in Tokio gegen England nicht nur um WM-Gold. Der Sport soll die Gesellschaft wieder einen – wie zuletzt 1995.

Tokio/Johannesburg. Südafrika steht heute im Bann des Rugby-WM-Finals gegen England in Tokio (10 Uhr, live auf ProSieben Maxx). Gelingt tatsächlich der ganz große Coup, dann würde der 28-jährige Siya Kolisi als erster schwarzer Kapitän eines bei der WM erfolgreichen südafrikanischen Rugbynationalteams Geschichte schreiben und seiner Nation einen Image-Boost mit großer Symbolik bescheren.

So wie damals, als Nelson Mandela im Springbok-Trikot bei der Heim-WM 1995 dem weißen Kapitän Francois Pienaar den WM-Pokal überreichte. Einst ein verhasstes Symbol der Spaltung, wurde der Sportder Weißen von Mandela als wichtiges Element beim Aufbau einer neuen Gesellschaft genutzt. Die Strahlkraft des Sports nutzte er geschickt für seine geplante Aussöhnung der Nation – Hollywood setzte ihm dafür mit dem Film „Invictus“ ein Denkmal.

Auch der heutige Präsident, Cyril Ramaphosa, braucht dringend so einen Moment, der die Nation endlich wieder im Freudentaumel vereint. Denn nach jahrelangem ökonomischen Niedergang unter seinem Vorgänger Jacob Zuma versucht er gerade mit aller Kraft, endlich einen Weg aus der Misere zu finden. Sie zwang die einst so stolze Nation zu Boden, ließ sie ächzen unter ihrer Schuldenlast und auf Rekordniveau steigenden Arbeitslosen- und Kriminalitätsraten. Die Bevölkerung sitzt immer öfter im Dunkeln, weil dem klammen Strommonopolisten Eskom die Elektrizität ausgeht – und in den kommenden Tagen droht dem Land auch noch durch die Ratingagentur Moodys eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit auf Ramschniveau.

Notwendige Inspiration

Die frühere Rugbylegende Bryan Habana hatte daher im Gespräch mit dem britischen „Guardian“ bereits von Beginn an den Ton gesetzt, als es um die Einordnung eines möglichen WM-Triumphes der Springboks ging: „So eine Inspiration wäre für unser Land von immenser Bedeutung, auf einer Linie mit Mandela 1995 – wenn nicht sogar noch größer.“

Denn ein WM-Titel könnte auch das ramponierte Ansehen des Landes im Ausland wieder aufpolieren und endlich zu Hause wieder für positive Stimmung sorgen. Der Kap-Staat hatte in der Tat lange keine Zeiten mehr erlebt, die die Nation mit Stolz erfüllten. Der Traum einer Regenbogennation ist längst an der bitteren Realität des Alltags zerschellt. Umso willkommener wäre da ein Triumph an der Sportfront in einem Land, in dem die Rugby-WM einen ähnlichen Stellenwert wie die Fußball-WM in Deutschland hat. Präsident Ramaphosa gab sich im Vorfeld siegessicher. „Ich komme, um diese Webb-Ellis-Trophäe mit euch in die Höhe zu recken“, versprach er Teamkapitän Kolisi in einer Videokonferenz.

Kapitän Kolisi verfolgte den zweiten und bisher letzten Triumph Südafrikas 2007 als 16-Jähriger in einer Township-Taverne. Auch zwölf Jahre danach hat er noch genaue Erinnerungen an die Wirkung des 15:7-Finalerfolgs von Südafrika über England in Paris.

„Ich weiß noch, was es damals für uns bedeutet hat. Ich habe noch nie gesehen, wie Menschen über den Sport so zusammengekommen sind“, sagte Kolisi. Jetzt könnte er, Kolisi, die nächste Generation inspirieren. „Siya ist für viele eine Inspiration, nicht nur für Rugbyspieler, sondern auch für die Menschen in Südafrika“, sagte Rugbyheld Habana. (DPA/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.11.2019)

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