Ökonomen: "Ein relativ mutloses Sparpaket"

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Die deutsche Regierung will 80 Milliarden Euro bis 2014 einsparen. Die ersten Reaktionen von Experten reichen von "Etikettenschwindel" bis "erfreulich".

Ökonomen analysieren das Sparpaket der deutschen Bundesregierung:

HEINO RULAND, AKTIENSTRATEGE RULAND RESEARCH:

"Das Sparpaket ist sehr weit und umfassend ausgefallen. Die Daumenschrauben sind sowohl am öffentlichen Haushalt wie auch in der Industrie angelegt worden und könnten die Sparbemühungen sogar übererfüllen. Bedauerlich ist, dass bei dem Sparpaket eine Vereinfachung des Einkommens- und Lohnsteuersystems außen vor geblieben ist. Das hätte viele Leute entlasten können."

GUSTAV HORN, DIREKTOR GEWERKSCHAFTSNAHES IMK-INSTITUT:

"Insgesamt ist es ein relativ mutloses Sparpaket, da eigene Fehler nicht zurückgenommen wurden wie die Mehrwertsteuerermäßigung für Hotels. Bei den reduzierten Mehrwertsteuersätzen hätte man Unsinniges abschaffen können. Das Sparprogramm wird im nächsten Jahr für leichte Bremseffekte bei der Konjunktur sorgen. Vom Volumen her dürfte es im kommenden Jahr reichen, wenn alles eins zu eins umgesetzt wird. Aber dem Paket fehlt eine eindeutige Konzeption.

Ich finde, die Koalition ist nicht deutlich an die Finanzmärkte herangegangen - etwa bei der Finanztransaktionssteuer. Hier hätte ich mir einen härteren Entschluss gewünscht, denn die Regierung wird womöglich einknicken, falls es international nicht zu dieser Abgabe kommt. Ich hätte die Vermögensteuer wieder eingeführt und die Erbschaftssteuer erhöht. Das wäre konjunkturunschädlich gewesen."

ROLAND DÖHRN, KONJUNKTURCHEF RWI ESSEN:

"Die genannten 80 Milliarden Euro an Einsparungen sind ein gewisser haushalterischer Etikettenschwindel. In dem Plan sind viele Einmal-Einsparungen enthalten, die über die Jahre kumuliert werden. Der eigentliche Kraftakt sind Einsparungen im Volumen von knapp 27 Milliarden Euro bis 2014. Die Stoßrichtung des Konzepts stimmt. Grundsätzlich ist es richtig, beim Sparen bei den Ausgaben anzusetzen."

MARIO GRUPPE, VOLKSWIRT NORDLB:

"Es scheint nicht der große Wurf zu sein, aber tiefgreifende strukturelle Veränderungen sind in diesem Umfeld nach der tiefen Rezession und angesichts der Verschuldungsproblematik auch schwer durchführbar. Man hätte nicht viel weiter gehen können, denn sonst wäre man Gefahr gelaufen, das zarte Pflänzchen Aufschwung abzuwürgen. Wichtig ist, dass der private Konsum nicht durch direkte Steuererhöhungen belastet werden soll, denn das kann sich wiederum negativ auf die Binnenkonjunktur auswirken."

WOLFGANG TWARDAWA, KONSUMEXPERTE DER GFK-MARKTFORSCHER:

"Die Auswirkungen auf die Kaufkraft dürften eher nicht so extrem sein. Es wird keinen Einbruch des Konsums geben. Die Frage, inwieweit es zu psychologischen Auswirkungen kommt, lässt sich noch nicht sagen. Das ist schwer einzuschätzen. Bis jetzt war die Konsumstimmung in Deutschland relativ gut."

ANDREAS REES, DEUTSCHLAND-CHEFVOLKSWIRT UNICREDIT:

"Es ist erfreulich, dass man auf Steuererhöhungen auf breiter Front verzichtet hat. Das wäre der falsche Weg gewesen, denn Konsolidierung primär über die Einnahmeseite funktioniert nicht. Ich hätte mir mehr mutigen Subventionsabbau gewünscht, da bin ich ein bisschen enttäuscht. Der Subventionsabbau muss so oder so kommen. Die Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum dürften moderat sein. Aber ein schmerzfreies Sparen wird es nicht geben - vor allem im nächsten Jahr. Hier dürfte es Einbußen beim Wachstum von mindestens einem Viertel-Prozentpunkt geben. Das entscheidende Problem für die deutsche Wirtschaft und damit vor allem für die Exporte wird das Synchron-Sparen in ganz Europa sein.

Ordnungspolitisch wäre es geboten, die gemäßigten Mehrwertsteuersätze zu streichen. Aber ich finde es gut, dass sie das nicht für das nächste Jahr planen. Damit hätte man die Kaufkraft getroffen. Es wird eine Bremswirkung für das Wirtschaftswachstum geben, diese wird aber moderat ausfallen. Der private Konsum wird auch nächstes Jahr nicht der Wachstumstreiber sein. Die Konjunkturverlangsamung werden wir vor allem bei den Exporten spüren."

UWE ANGENENDT, CHEFVOLKSWIRT BHF BANK:

"Es ist ein ehrgeiziges Programm, das nicht auf Steuererhöhungen, sondern im Wesentlichen auf Einsparungen setzt. Es trifft letztlich viele Branchen und Bevölkerungsgruppen. Das liegt aber in der Natur der Sache: Wenn man spart, muss es irgendwo ankommen - auch im Sozialbereich. Das Programm ist breitgefächert. Dass beim Bund 10.000 Stellen bis 2014 abgebaut werden sollen, wird der Arbeitsmarkt verkraften können - zumal wahrscheinlich beim Abbau auf Personalfluktuation gesetzt wird. Der deutsche Arbeitsmarkt ist relativ ungeschoren durch die Krise gekommen. Den Personalschnitt beim Staat kann Deutschland daher besser abfedern als etwa Spanien, wo die Arbeitslosigkeit sehr hoch ist."

(Ag.)

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