Gespräch

Voodoo Jürgens: Singsang aus der Unterwelt

Voodoo Jürgens im Wiener Gürtel-Café Weidinger.
Voodoo Jürgens im Wiener Gürtel-Café Weidinger.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Voodoo Jürgens veröffentlicht sein zweites Album. „'S klane Glücksspiel“ lockt abermals in die wilden Kaschemmen der Vorstadt.

An so manchen Stellen klingt er wie der klassische Koberer, jene sprachliche Kreativkraft, die Freier ins Bordell lockt, oder in Fußgängerzonen Käufer für Gemüsehobel arretiert. In diese Richtung biegt sich jedenfalls Voodoo Jürgens signifikante Stimme auf „Angst haums“, der ersten Single seines kraftvollen, zweiten Albums. Nach wie vor pflegt er den Singsang der Unterwelt, die sprachliche Anarchie des Proletariats, die Maliziösität der Moritatensänger des alten Wien.

Hatte er nach dem Riesenerfolg seines Debütalbums 2016 Federn vor dem Nachfolgealbum? „Es wäre gelogen, wenn ich sagen würde, es wäre mir komplett wurscht gewesen. Ich habe ja wahnsinnig viel live gespielt. Das Unterwegssein ist aber nicht die inspirierendste Zeit für neue Songs. Es war zunächst gar nicht so leicht, die Ruhe zu finden. Es gab Momente, da zweifelte ich an mir, aber die Sache hat dann doch rasch Fahrt aufgenommen.“

Der 36-Jährige liefert auf „'S klane Glücksspiel“ mit seiner Kombo Die Ansa Panier abermals eindringliche Milieuschilderungen. Was der Soziologie als klassische Trias der Unterschicht gilt, also Rauchen, Trinken, Glücksspiel, das markiert für Voodoo Jürgens die Grenzpfosten seines mit viel Liebe zum Detail geschilderten Gegenidylls. Im Tiefen findet er Höhen, die Gosse formt seine Poesie.

Eine bewusste Bemühung? Im dunstigen Gürtel-Café Weidinger, dieser Art Kirche der kleinen Laster, nimmt Voodoo Jürgens einen innigen, zum Zeitpunkt des Interviews gerade noch erlaubten Zug vom Tschick. „Es ist natürlich schon auf gewisse Art ein Romantisieren des tiefen Lebens“, sagt er. „Aber komplett Beschönigen will ich nichts. Dass ich die Spielsucht in meinem Leben ausgelassen habe, darüber bin ich nicht unfroh. Als Thema war das kleine Glücksspiel aber durchaus dankbar.“ Das zugehörige Video samt Jazz Gitti bürgt für exzellent schlechten Geschmack. Voodoo Jürgens lacht: „Ja, ja, der ist reichlich vorhanden.“

Was war eigentlich der Anlass für diese dezente Verherrlichung des kleinen Glücksspiels? „Das Thema hat mich schon länger beschäftigt. Ein früheres Lied, das sich im Rabenhof-Theater während Stefanie Sargnagels Theaterstück ,Ja, eh! – Beisl, Bier und Bachmannpreis‘ ergeben hat, behandelt es auch schon ein bisserl.“ Daraus habe sich der Wunsch ergeben, tatsächlich ein Lied zu schreiben, das „'S klane Glücksspiel“ heißt.

Der Wienerlied-Sänger Roland Neuwirth hat in den furchtbaren Eindrücken seiner Kindheit die wesentliche Basis seiner Kunst erkannt. Geht es Voodoo Jürgens da ähnlich? „Als Feedback auf mein Lied ,Tulln‘ habe ich schon öfters so etwas wie Mitleid bekommen. Aber ich habe mein junges Leben nicht negativ empfunden. Der Song war schlicht ein Ventil, um das herauszulassen, worüber sonst nie geredet worden ist. Es war nicht alles so schlimm, aber manches kommt später auf. Ich suche nicht nach dem Tragischen, aber wenn es aufploppt, dann akzeptiere ich es.“

Sprachpolizist der entern Gründ

Und er bereitet es dann auf eine präzise Art auf, die seit Helmut Qualtinger niemand mehr auf das Wienerische angewandt hat. Sieht er den hiesigen Dialekt in Gefahr? „Er ist es zweifellos, aber ihn bewusst retten zu wollen, das ist nicht mein Ansatz“, sagt er, der insgeheim doch eine Art Sprachpolizist der entern Gründ ist. Vom „Pempern im Schlafzimmer der Eltern“ ist da etwa die Rede. Auch die klassische Gemeindebaufrage „Wem gheart des Mensch?“ strapaziert er auf vergnügliche Weise.

„Im Prinzip hat mir der Erfolg gutgetan“, sagt Voodoo Jürgens, der eine Dekade lang nur wenig Publikum hatte. „Es ärgert mich, wenn man diese Jahre als erfolglos bezeichnet. Sie waren eine gute Schule.“ Jetzt ist sein Leben – auch wegen seiner Verantwortung als Bandleader – strukturierter. Das Tschicken wird er auch nach dem Rauchverbot beibehalten. „Es gibt ein paar Beisln, die es verdienen würden, dass in ihnen das Rauchen weitergeht. Das Verbot ist schwer zu akzeptieren, aber ich tu ja auch noch anderes als nur zu rauchen.“

Zur Person

Voodoo Jürgens wurde 1983 als David Öllerer in Tulln geboren. Er ist gelernter Konditor und seit 2014 als Voodoo Jürgens aktiv. „Ansa Woar“ hieß sein erstes Album, mit „'S klane Glücksspiel“ (Lotterlabel – ein Redelsteiner Release) ist nun der Nachfolger da. Konzerttermine: 3. Dezember Arena, Wien, 4. Dezember Rockhaus, Salzburg, 5. und 6. Dezember Treibhaus, Innsbruck.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.11.2019)

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