Brasiliens früherer Staatschef sitzt wegen Korruption ein. Nun fällte das Höchstgericht ein heikles Urteil.
Brasilia. Das Oberste Bundesgericht Brasiliens hat ein Urteil gefällt, das zur Freilassung Tausender Häftlinge führen könnte, darunter des Ex-Präsidenten Lula da Silva (74), seit 2018 wegen Korruption im Gefängnis; er muss fast neun Jahre absitzen. Mit sechs zu fünf Stimmen kippten die Richter am Donnerstag eine wenige Jahre alte Regel, wonach man Verurteilte vor Ausschöpfung aller Rechtsmittel inhaftieren kann, falls die zweite Instanz die Berufung verwirft. Fortan müssen das Berufungsobergericht oder Oberste Bundesgericht Urteile wieder bestätigen.
Lula wurde 2017 verurteilt, fasste in der Berufung zwölf Jahre aus, ging 2018 in Haft. Das Höchstgericht senkte die Strafe. Das Urteil jetzt ist umstritten, da es nur auf einer Kronzeugenaussage fußt und die meisten Höchstrichter als der Arbeiterpartei Lulas nahe gelten. Präsident Jair Bolsonaro und Justizminister Sérgio Moro, der Lula als Richter erster Instanz verurteilte, sind empört. Dutzende hochrangige Korruptionshäftlinge könnten ihre Enthaftung einfordern. Lulas Anwälte haben das schon angekündigt. (ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2019)