Wien Modern: Poesie vor und hinter Publikum

Alberto Posadas' packende „Poética del espacio“ im Wiener Konzerthaus.

Ausgerechnet die letzten Minuten ziehen sich ein wenig: Wo plötzliche Generalpausen immer wieder die finalen, kurzen Ausbrüche des Ensembles unterbrechen, ließe sich das Timing noch etwas nachbessern. Aber das bleibt eine Marginalie an einem Abend, an dem ein Komponist sein Publikum über eine ganze Spielfilmlänge fesseln und erstaunen konnte – im Verein mit dem in jeder Hinsicht schillernden Klangforum Wien unter Sylvain Cambreling.

Alberto Posadas sind in seiner „Poética del espacio“ (2018/19) außerordentlich sinnliche Raumerkundungen und Klangvermessungen gelungen. Der Titel bezieht sich auf Gaston Bachelards Buch „Poetik des Raumes“; in der Musik denkt man sofort an Gérard Griseys ebenfalls abendfüllenden Zyklus „Les Espaces acoustiques“, einen Klassiker des 20. Jahrhunderts. Posadas erweist sich dieser Assoziation als würdig. Am Beginn ist das Ensemble zweigeteilt, spielt vor und hinter dem Publikum; im Laufe von vier großen Stücken und klein besetzten Intermezzi bewegen sich die Instrumente individuell über verschiedene Wege und Haltestellen auf die Bühne, bis am Schluss alle dort versammelt sind. Jeder Platz bietet einen eigenen aufregenden Hörwinkel, die Musik arbeitet viel mit Multiphonics und anderen alternativen Spieltechniken. Sie ist dabei aber viel weniger geräuschbetont als andere dieser Tage bei Wien Modern vorgestellte Novitäten, sondern von oft glitzernd driftenden, volltönenden Klängen beherrscht – mit einem Höhepunkt im virtuos überschäumenden Solistenquartett von Trompete und Posaune (jeweils mit Nebeninstrumenten), Saxofon und Horn.

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