Industrie

Adidas' Liaison mit Europa ist aus

Ein Prototyp aus der „Speedfactory“ von Adidas – Ziel war die Produktion innerhalb weniger Stunden.
Ein Prototyp aus der „Speedfactory“ von Adidas – Ziel war die Produktion innerhalb weniger Stunden.(c) REUTERS (Stefanie Loos)
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Der Schuhproduzent schließt überraschend seine junge Fabrik in Deutschland und verlagert die Hightechproduktion nach Asien. Ein Rückschlag für eine schöne Idee.

Wien. Die Zukunft macht einen Rückzieher: Der Schuhhersteller Adidas sperrt seine einzige Fabrik in Europa wieder zu und verlagert die Produktion komplett nach Asien. Dabei hatte alles so schön geklungen. 2015 hatte Adidas seine automatisierte Fabrik der Öffentlichkeit präsentiert. In der „Speedfactory“ sollten Schuhe fast komplett von Robotern gefertigt werden, perfekt zugeschnitten auf die Wünsche der Kunden. Und wegen der geografischen Nähe ohne lästige lange Wartezeiten und noch dazu umweltschonend. Der Konzern wurde dafür bejubelt, dass er längst verloren geglaubte Jobs aus asiatischen Niedriglohnländern zurück nach Europa brachte – 23 Jahre, nachdem er Europa den Rücken gekehrt hatte.

Aber die kurze Liaison ist schon wieder vorbei. Die Speedfactory im deutschen Ansbach wird nur vier Jahre nach ihrer Eröffnung wieder geschlossen, teilte das Unternehmen am Montag mit. Auch die zweite Fabrik in Atlanta (USA) werde spätestens im April des kommenden Jahres zugesperrt. Die Speedfactory war ein Prestigeprojekt des Konzerns und versprach einen Blick in die Zukunft der Industrieproduktion. Pro Jahr sollten eine halbe Million Paar Sportschuhe je Fabrik weitgehend automatisiert entworfen und hergestellt werden. Aber das Werk habe nicht an seiner Kapazitätsgrenze gearbeitet, sagte ein Konzernsprecher.

Vom Entwurf eines Schuhs und seiner Lieferung an das Geschäft vergehen in der Regel etwa 18 Monate. In der Speedfactory sollten es dank Robotern und 3-D-Drucks nur noch wenige Stunden sein. Schon 2017 hieß es seitens Adidas, dass der Aufbau der Fabrik in Ansbach mit „unglaublichem Aufwand“ verbunden sei. Über die – gewiss hohen – Kosten verriet man nichts.

Die waren jetzt jedenfalls doch zu hoch. Die Idee vom ultraschnell gefertigten Schuh gibt Adidas nicht auf. Er verlagert sie nur nach Asien: Das Verfahren soll künftig bei zwei seiner größten Zulieferbetriebe in Asien angewandt werden. Der Konzern erhofft sich davon mehr Flexibilität, höhere Stückzahlen und niedrigere Kosten. Der Versuch, die technologisch hochwertige Produktion von Sportartikeln wieder stärker nach Deutschland zu holen, sei an dieser Stelle nicht geglückt, sagte ein Adidas-Sprecher. „Wir haben hier Pionierarbeit geleistet, wie man die Produktionszeit von Sportschuhen deutlich verringern kann“, teilte der Adidas-Vorstand via Aussendung mit. Daher bedauere man das Ende des Projektes.

Trend zur näheren Produktion

160 Beschäftigte zählt das automatisierte Werk in Ansbach: Einige sind für die Wartung der Maschinen zuständig, einige für klassische Handarbeiten, wie das Obermaterial der Schuhe in Form zu bringen, nachdem es ein Laser ausgeschnitten hat. 100 Jobs fallen nun weg. Im Sommer 2017 hatte Adidas die Serienproduktion der Sportschuhe gestartet, von denen ein Teil tatsächlich aus dem 3-D-Drucker kam. Adidas hatte das gefeierte Projekt gemeinsam mit dem Kunststoffverarbeiter Oechsler umgesetzt. 2018 hatten die Unternehmen dafür den Deutschen Innovationspreis bekommen.

Adidas verkauft 400 Millionen Paar Schuhe im Jahr, 97 Prozent werden in Asien hergestellt. 2014 dachte man laut darüber nach, Asien wegen steigender Löhne und wachsender Handelshemmnisse teilweise den Rücken zu kehren. Langfristig gehe es darum, „viel unabhängiger von den Arbeitskosten zu fertigen“, sagte Forschungschef Gerd Manz damals dem „Handelsblatt“.

Die Beratungsfirma McKinsey wollte voriges Jahr schon einen Trend erkannt haben: die Rückkehr der Modeindustrie nach Europa. „Für einzelne Kleidungsstücke mit wenig aufwendiger Produktion lohnt sich jetzt schon die Rückverlagerung der Fertigung nach Europa beziehungsweise Nordamerika“, hieß es in einer Studie. Zumal die Konzerne näher an die Kunden rücken müssten, um die Trends von Instagram schnell in die Geschäfte zu bringen. „Nearshoring“, wie das im Fachjargon heißt, werde dank Automatisierung leichter. Experten sahen damals einen Umschwung zur regional nahen Produktion bis 2025. Vielleicht war Adidas ja einfach seiner Zeit voraus? (hie)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.11.2019)

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