Film

Gefangen in der Uralt-Idylle

Nicht einmal der Mist darf hier stinken: „But Beautiful“ serviert ein bedenkliches Harmoniekonzept, mit Existenzentwürfen wie aus Biomarkt-Werbeclips.
Nicht einmal der Mist darf hier stinken: „But Beautiful“ serviert ein bedenkliches Harmoniekonzept, mit Existenzentwürfen wie aus Biomarkt-Werbeclips.(C) Pandorafilm
  • Drucken

„We Feed the World“-Regisseur Erwin Wagenhofer verfüttert in „But Beautiful“ Glücksbotschaften.

Man darf seinen Geist nicht ins Gedankengefängnis sperren“, meint Jazzpianist Kenny Werner in „But Beautiful“. Doch um Musik geht es in Wagenhofers jüngstem Dokumentarfilm kaum. Sein Ziel ist die Erweiterung unseres Spektrums vorstellbarer Lebensentwürfe. Mit bildgewaltigen Dokus über Nahrungsmittelindustrie („We Feed the World“), Hochfinanz („Let's Make Money“) und Bildungssystem („Alphabet“) hat sich der Österreicher als publikumswirksamer Kapitalismuskritiker etabliert. Doch motschkern macht irgendwann müde. Und führt auf lange Sicht zu nichts. Also wechselt Wagenhofer mit „But Beautiful“ sein didaktisches Modell, will nun zeigen, wie wir's besser machen können. Ein Ansatz, der im Trend liegt: Immer mehr internationale Themendokus, etwa „Tomorrow – Die Welt ist voller Lösungen“ (2015) oder „The Biggest Little Farm“ (2018), wollen mit Positivbeispielen Schule machen und den Wertewandel vorantreiben.

Wagenhofer wählt hierfür einen fast poetischen Zugang: Sein Film möchte weniger mit Hard Facts überzeugen als progressive Sehnsucht säen, uns für Utopien in Stimmung bringen. Der Kurzschluss zwischen Kunst und Leben, musikalischen Reflexionen und Porträts alternativer Seinsweisen bleibt dabei sein effektivster Kniff: Auftritte und Kommentare leidenschaftlicher Klangmacher, die sich nicht in Schubladen zwängen lassen, punktieren die Doku. Ihr Sound entspannt die Sinne, pflügt die Seele, macht empfänglich für die Kernbotschaft: Nachhaltigkeit, Subsistenz, Einklang mit der Natur.

Sinnstiftendes Plätschern

Wir sehen: ein Schweizer Paar, dass sich auf La Palma ein Permakultur-Paradies geschaffen hat. Einen Förster, der den Wald anbetet und energieschonende Holzhäuser entwirft. Einen indischen Volksbildner, dessen „Barefoot College“ Marginalisierte per technischem Wissen zur Autonomie erzieht. Gemächlich gleiten wir mit ihnen durch den Film. Sie stapfen durch Schnee, streifen durch Stauden, streicheln Bienenwaben. Zählen Jahresringe, basteln Solaranlagen, schlürfen frische Luft. Die satten Bilder fließen ineinander, Jazz dient als Kitt, Motive und Philosophien der Protagonisten plätschern sinnstiftend im Off. Behaglichkeit macht sich breit. Bald ist man bereit, einzustimmen: Alles wird besser, wenn man nur will.

Wer möchte da schon Spielverderber und Bedenkenträger sein? Doch spätestens nach einer Stunde weltanschaulicher Einsalbung drängen sich Fragen auf. Was sind eigentlich die Existenzkonzepte, die hier im Modus gefälliger Biomarkt-Werbeclips aufs Podest gehievt werden? Von Harmonie ist die Rede, von Gesundung und Weisheit der Bäume. Raus aus der Stadt, zurück in die Dörfer! Der Traum: ein Haus im Grünen für die Kernfamilie. Ein besserer Schrebergarten. Jeder Gesellschaftsentwurf, dessen Komplexität dieses archaische Idyll übersteigt, scheint Wagenhofer suspekt. Und er kaschiert seine Widersprüche: Nicht einmal der Mist darf hier stinken.

Am ärgerlichsten: Zwischenszenen, in denen der Dalai Lama und seine Schwester Jetsun Pema oft mehr als strittige Gemeinplätze drechseln. Etwa: „Glück ist der Sinn des Lebens.“ Oder: „Wir werden glücklich und freundlich geboren.“ Da will man der Leinwand fast entgegenrufen, dass Harmonie nicht alles ist, oft Stillstand bedeutet und auf Kosten Andersmeinender geht. Doch ins Gedankengefängnis von „But Beautiful“ würde man damit nicht eindringen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.11.2019)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.