Walk of Häme

Das große Glücksspiel

Oder: Warum nicht nur in Wien, sondern auch in Norditalien gern gespielt wird.

Vom kleinen Glücksspiel ist ja oft die Rede und was das so ist, davon hat man inzwischen recht konkrete Vorstellungen. Rauchgeschwängerte Hinterzimmer von Tankstellen mit einarmigen Banditen bestückt, Ecklokale im Sexshoplook von unüberschaubar vielen Wettanbietern betrieben, viel zu viele kleine Einsätze, denen keine reale Gewinnmöglichkeit gegenübersteht, dafür aber die Chance sein Leben zu ruinieren. All das aus Spielsucht, der man immer noch viel zu leicht nachgehen kann.

Nach den Enthüllungen zur Postenbesetzung in den Casinos unter der türkis-blauen Regierung gibt es nun auch konkretere Bilder zum bisher weniger bekannten großen Glücksspiel: Auch da spielen Hinterzimmer offenbar eine größere Rolle, allerdings dürften die eher in Innenstadtpalais liegen, Automaten haben dort auch Hebel, aber nur um frischen Espresso zu brauen; die Mitspieler wetten nicht, sondern setzen alles auf Rot, Schwarz oder Blau; und eingesetzt wird nur fremdes Geld, dafür sind die Gewinnchancen ordentlich hoch. Eine Sucht ist wohl auch im Spiel, aber eher die Gewinnsucht. Was große und kleine Glücksspieler eint: Wenn es schief geht, kommt man in Erklärungs- und Existenznöte.

Dem Glücksspiel nicht abgeneigt, scheinen offenbar auch die für Venedig verantwortlichen Autoritäten zu sein. Zu diesem Schluss muss man nach dem seit den 1960er-Jahren schwersten Hochwasser kommen, das unter anderem den Markusplatz komplett überschwemmt und im Markusdom heftige Schäden angerichtet hat. Das Dammsystem, das die Lagunenstadt vor eben solchen Überflutungen bewahren soll und vor 15 Jahren begonnen wurde, sei bereits zu 90 Prozent fertig und müsse nun aber wirklich im Jahr 2021 finalisiert werden, erklärte Ministerpräsident Giuseppe Conte in einer ersten Reaktion sinngemäß. Den Berliner Flughafen findet man offenbar nicht nur in der deutschen Hauptstadt.

Europäische Kulturhauptstadt 2024 wird tatsächlich Bad Ischl samt Salzkammergutumgebung, das wurde diese Woche bekannt. Zugegeben, bei Stadt hätten wir vielleicht nicht zu allererst an Bad Ischl gedacht, aber oft nehmen ja die interessantesten Wendungen bei paradoxen Interventionen ihren Ausgang. Und bis 2024 könnten auch so manche Flughäfen und Dammsystemefunktionieren.

florian.asamer@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.11.2019)

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