Finanzmarktstabilität

EZB warnt vor zu viel Risikofreude

Der EZB bereiten auch die steigenden Wohnimmobilienpreise Kopfzerbrechen.
Der EZB bereiten auch die steigenden Wohnimmobilienpreise Kopfzerbrechen.APA/dpa/Christoph Schmidt
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Die niedrigen Zinsen veranlassen Investoren und Staaten zum Geldausgeben. Indes sehen Bankenaufseher im Vorpreschen von Tech-Firmen eine Gefahr.

Frankfurt. Die Europäische Zentralbank (EZB) sieht angesichts der anhaltenden Konjunkturschwäche und der ultratiefen Zinsen Gefahren für die Stabilität des Finanzsystems im Euroraum. Zwar unterstützten die Niedrigzinsen die Wirtschaft, sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos am Mittwoch bei der Vorlage des halbjährlichen Stabilitätsberichts.

Ein daraus resultierender Anstieg der Risikobereitschaft könne aber mittelfristig Probleme für die Finanzstabilität schaffen. Die Behörden müssten mit allen Mitteln gegen den Aufbau solcher Schwachstellen vorgehen. In Deutschland müssen die Banken bereits mehr Vorsorge für Risiken treffen. Im Juli wurde der sogenannte antizyklische Kapitalpuffer von 0,25 Prozent eingeführt (diesen müssen Banken in Zeiten hohen Kreditwachstums aufbauen).

Unbehagen bereiten der EZB unter anderem die hohen Schuldenstände und Haushaltsdefizite in manchen Euro-Ländern. Sollte sich die Konjunktur erheblich eintrüben, könnten Staaten mit fragilen Finanzen am Markt wieder in den Fokus rücken, hieß es im Bericht. Zudem hätten sich die Ertragsperspektiven der Banken weiter eingetrübt. Dazu komme, dass Investmentfonds, Versicherer und Pensionsfonds auf der Jagd nach Rendite riskantere Investments eingegangen seien. Bei unerwarteten Kurskorrekturen könne dies Folgen für das gesamte Finanzsystem haben. Auch die steigenden Wohnimmobilienpreise in manchen Ländern machen der EZB Sorgen. Im Schnitt seien die Preise im Euroraum um mehr als sieben Prozent überbewertet. Dabei gebe es deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern.

Trotz der flauen Konjunkturaussichten rechnet EZB-Chefvolkswirt Philip Lane indes nicht mit einer Rezession in der Eurozone. Die Wirtschaft wachse zwar weniger als erwartet, aber sie schrumpfe nicht, sagte Lane der italienischen Zeitung „La Repubblica“ vom Mittwoch. „Wir erwarten eine Erholung in den nächsten ein bis zwei Jahren.“ Lane mahnte allerdings, dass die Länder des Währungsraumes die derzeit niedrigen Zinssätze nutzen sollten, um ihre Schuldenberge abzubauen.

Gefahr für Banken durch Apple

Bankenaufseher wittern indes noch ganz andere Gefahren für den Bankensektor: Die Konkurrenz durch Apple, Google und Amazon könnte die Bankenbranche gefährden. Die bisherige Ordnung in der Finanzwelt werde dadurch womöglich auf den Kopf gestellt, warnte der Chef des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht, Pablo Hernandez de Cos, am Dienstag in Frankfurt laut Redetext. Gegenwärtig stünden Banken noch im Zentrum der Branche. Sie könnten jedoch bei Bezahldienstleistungen in eine untergeordnete Rolle gedrängt werden, da diese selbst von Technologiekonzernen angeboten werden.

„Wir untersuchen sorgfältig die Risiken und Gelegenheiten solcher Entwicklungen für Banken und Aufseher“, sagte de Cos, der Gouverneur der Notenbank Spaniens ist und seit März den Ausschuss leitet. Dieser erarbeitet die globalen Standards für die Bankenaufsicht und hat seinen Sitz bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel.

Laut Deutsche-Bundesbank-Vorstand Joachim Wuermeling ist das Vorpreschen der Technologiefirmen für die Bankenaufseher eine große Herausforderung. Mit der Verlagerung von Finanzdienstleistungen aus der herkömmlichen Bank heraus würden diese auch der Regulierung und Aufsicht entzogen, sagt er. Aufseher hätten zwar keine Präferenz für alte oder neue Anbieter. „Aber wir werden alle Anstrengungen unternehmen, den aufsichtlichen Raum zu schützen.“ (ag./red)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.11.2019)

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