Buchbesprechung

Schlaflos in Marseille

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Der italienische Bestseller-Autor Carofiglio erzählt, wie Vater und Sohn in einer nächtlichen Tour de Force durch die Hafenstadt zueinander finden.

Antonio muss wegen seiner Epilepsie-Erkrankung in Marseille einen Spezialisten aufsuchen, sein Vater begleitet ihn. Der Neurologe verordnet dem 18-Jährigen eine brutale „Kur“: Der Jugendliche soll 48 Stunden lang wach bleiben – erst nach dieser „Stress-Therapie“ könne man feststellen, ob er geheilt sei und seine Medikamente noch brauche. Für Vater und Sohn beginnt so ein ungeplantes „Abenteuer“, eine intensive Entdeckungsreise – nicht nur der französischen Mittelmeerstadt.

Gianrico Carofiglio, Autor populärer Krimis aus dem süditalienischen Apulien, hat einen berührenden Roman über eine komplizierte Vater-Sohn-Beziehung geschrieben. Die beiden kommen sich während ihrer nächtlichen Streifzüge durch verruchte Marseiller Viertel immer näher, ihr seit Jahren entfremdetes Verhältnis verändert sich schlagartig: Während dieses schlaflosen „Ausnahmezustandes“ verdichtet sich ihr Leben aufs Wesentliche. Die beiden reden erstmals „richtig“ miteinander; sie lernen sich kennen. Antonio wird klar, dass sich hinter dem oft so distanziert wirkenden Vater ein zerbrechlicher, sensibler Mann versteckt. Der Vater erkennt im Sohn zum ersten Mal den jungen Erwachsenen, der ernst genommen werden will. „Ich war noch nie so wach“, dankt er Antonio.

Diese Erzählung ist nicht nur eine Hommage an Marseille. Es ist vor allem ein wunderschönes, lebensweises Buch über die Kraft des guten Gesprächs.   Basta

Gianrico Carofiglio: „Drei Uhr morgens“. Übersetzerin: Verena von Koskull, Folio Verlag, 184 Seiten, 14,99 Euro

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.11.2019)

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