Papst in Japan

„Der Besitz von Atombomben ist pervers und unentschuldbar“

Papst fordert in Hiroshima das Aus von Atomwaffen.
Papst fordert in Hiroshima das Aus von Atomwaffen.(c) APA/AFP/CHARLY TRIBALLEAU
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In Nagasaki und Hiroshima gedachte Franziskus der Opfer der Nuklearangriffe und forderte ein Ende des atomaren Wettrüstens.

Nagasaki. Um ein Haar hätten Sturm und Gewitter im Atombomben-Hypocenter-Park von Nagasaki die päpstliche Botschaft verhagelt. Aber Franziskus trotzte dem Wetter und verkündete: „Atomares Wettrüsten ist ein Affront gegen die Menschheit, der zum Himmel schreit.“ Eine Welt ohne nukleare Bomben sei nicht nur möglich, sondern vor allem notwendig.

Franziskus kritisierte eine „perverse Dichotomie“, die vorgibt, Stabilität und Frieden durch eine Mentalität von Angst und Misstrauen oder die Bedrohung durch totale Vernichtung zu erreichen. Allein der Atomwaffenbesitz sei pervers und unentschuldbar. Der Papst sendete damit ein wichtiges Signal genau von der Stelle aus, an der die USA am 9. August 1945 die zweite Atombombe gezündet hatten. 27.000 Menschen wurden sofort getötet, später unzählige mehr. In Nagasaki starben auch viele gläubige Christen, die in der nur 500 Meter von „Ground Zero“ entfernten Urakami-Kathedrale Zuflucht gesucht hatten. Der Vatikan stellte als Symbol der Unmenschlichkeit von Kriegen ein erschütterndes Foto neben Franziskus auf: Es zeigt einen Buben, der die Leiche seines kleinen Bruders auf dem Rücken zum Krematorium trägt.

Es gab an diesem Sonntag viele berührende Szenen in der japanischen Hafenstadt. Zwei Überlebende des Atombombenabwurfs traten auf Franziskus zu und präsentierten ihm einen Gedenkkranz aus weißen Blumen. Der Pontifex legte ihn am Mahnmal nieder und verharrte danach fast zwei Minuten im stillen Gebet. „Ich bete jeden Tag dafür, dass sich mein Schicksal nie wiederholt, dass es eine Welt ohne Krieg geben muss“, sagte Shigemi Fukabori, ein 88-jähriger Katholik und Überlebender der Atombombe. Der Heilige Vater beließ es in Nagasaki jedoch nicht bei einem politischen Statement. Er knüpfte auch einen Zusammenhang zwischen atomarem Wettrüsten und Verschwendung wirtschaftlicher Ressourcen, „in einer Welt, in der Millionen Kinder unter unmenschlichen Bedingungen leben“.

Audienz beim neuen Kaiser

Die Aufrüstung gehe weiter, obwohl 122 Staaten, darunter der Vatikan,  einen Vertrag für ein Atomwaffenverbot geschlossen haben. Der Papst kritisierte, dass die wichtigsten Nuklearmächte dieses Abkommen ablehnen. Auch Japan, das keine Atombomben besitzt, kann sich unter dem Schutzschirm der Amerikaner nicht zu einem Beitritt durchringen. Besonders gefährlich sei, dass Washington und Moskau im August den bilateralen Kontrollpakt von 1987 auslaufen ließen. Auch die nuklearen Aktivitäten von Nordkorea und Iran verschärften die Befürchtungen über ein neues atomares Wettrüsten. Franziskus reiste im Laufe des Tages weiter nach Hiroshima, wo er im Friedenspark vor Tausenden an den ersten Atombombenangriff der Geschichte erinnerte.

Im Rahmen seines viertägigen Japan-Besuchs ist der Pontifex auch zu einer Audienz beim neuen Kaiser Naruhito geladen. Franziskus ist nach Johannes Paul II. erst der zweite Papst in 38 Jahren, der das buddhistische Japan besucht. Rund zwei Prozent der Japaner bekennen sich zum Christentum. Bei der  Christianisierung Japans spielte Nagasaki eine besondere Rolle, auch als Ort der Christenverfolgung im 16. und 17. Jahrhundert. In einem fast schon privaten Moment mit nur 1000 Gläubigen gedachte der Papst der 26 Märtyrer dieser Christenverfolgung. Der Argentinier erinnerte daran, dass er als junger Geistlicher eigentlich Missionar in Japan werden wollte.

Die Messe mit mehr als 20.000 Gläubigen fand im Baseballstadium statt. Am Altar stand als Erinnerung an das Grauen vor fast 75 Jahren der verkohlte Kopf der hölzernen Marienstatue aus der abgebrannten Urakami-Kathedrale. Deren schwarze Augenhöhlen werden in Japan auch außerhalb religiöser Bindungen als Ausdruck des Schreckens von Kriegen verehrt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.11.2019)

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