Studie

Österreich braucht 75.000 neue Pflegekräfte

(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Ab dem Jahr 2024 kann der Bedarf an Pflegekräften nicht mehr mit Absolventinnen gedeckt werden. Eine Finanzierung der Pflege mittels einer Versicherung wäre keine optimale Lösung, so das Ergebnis einer weiteren Studie.

Wien. Österreich wird langfristig ein Problem wegen des steigenden Bedarfs an Pflegekräften bekommen. Und: Eine Pflegeversicherung würde sich negativ auf die Lohn- und Abgabenquote auswirken. Das sind die Ergebnisse von zwei Studien, die Sozialministerin Brigitte Zarfl am Montag präsentierte. Die Ergebnisse sollen der kommenden Regierung und für die Regierungsverhandlungen als Grundlage dienen.

Die Studie der „Gesundheit Österreich“ geht davon aus, dass es bis zum Jahr 2030 einen zusätzlichen Bedarf von 75.700 Kräften geben wird, erläuterte Studienautor Herwig Ostermann. Davon sind laut Prognose 41.800 diplomierte Pflegekräfte, 25.200 im Bereich Pflegeassistenz und 8.700 Heimhilfen.

Da rund ein Drittel der Pflege- und Betreuungspersonen über 50 Jahre alt ist, ergibt sich allein aufgrund von Pensionierungen ein Bedarf von 41.500, die restlichen 34.200 sind auf den steigenden Zusatzbedarf aufgrund demografischer Faktoren zurückzuführen.

Die Studie geht von einem jährlich zu deckenden Jahresbedarf an Pflegefachkräften zwischen 3900 und 6700 Personen pro Jahr aus. Spätestens ab 2024 könne nicht mehr davon ausgegangen werden, dass der Bedarf mit Absolventinnen gedeckt werden könne, so Ostermann. Daher müssten schon jetzt Maßnahmen ergriffen werden.

Bündel an Aktivitäten

Geht es nach der Sozialministerin, braucht es ein „Bündel an Aktivitäten“. Es müssten verstärkt Initiativen gesetzt werden, um Menschen für diese Berufe zu gewinnen. Gleichzeitig seien Maßnahmen nötig, um das Arbeitsumfeld so zu gestalten, dass diese möglichst lang und gesund im Beruf gehalten werden können.

1,3 bis 1,9 Prozent des BIPs gibt Österreich derzeit für Pflegeleistungen aus. Eine weitere vom Institut für Höhere Studien (IHS) verfasste Studie untersuchte die Pflegefinanzierung im europäischen Ländervergleich. Dafür wurden die Modelle von Dänemark, Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Schweden und Spanien mit dem hiesigen hinsichtlich Systemcharakteristika, Mittelaufbringung und jüngsten Reformen gegenübergestellt. Dabei habe sich etwa gezeigt, dass die österreichische Regelung der Mittelaufbringung mittels Steuerfinanzierung ohne Zweckbindung durchaus im internationalen Trend liege, erklärte der Chef des IHS, Martin Kocher. Die Studie kommt ferner zum Ergebnis, dass eine Finanzierung ohne Einbindung der Sozialversicherung bei einem kontinentalen Wohlfahrtsstaatsmodell eher unüblich ist.

Keine optimale Lösung

Kocher betonte aber dennoch, dass eine Umstellung auf ein Modell, das primär über Sozialversicherungsbeiträge finanziert wird, „nicht die optimale Lösung“ sei, da es sich negativ auf die Lohn- und Abgabenquote auswirken würde. Auch seien derartige Modelle stärker von konjunkturell bedingten Entwicklungen des Arbeitsmarkts abhängig. Die ÖVP hatte im vergangen Wahlkampf ein derartiges Modell aufs Tapet gebracht.

Sollte ein solches aber dennoch angedacht werden, müssten zwei Punkte beachtet werden, so IHS-Studienautorin Monika Riedel. Und zwar müsste zum einen verankert werden, welche konkreten Leistungen in die Zuständigkeit der Sozialversicherung übertragen werden. Derzeit liege die Kompetenz für Geldleistungen beim Bund, jene für Sachleistungen bei den Ländern.

Zum anderen sollten neben dem Arbeitsmarkteinkommen auch andere Einkommensarten wie etwa Kapitalerträge – wie im internationalen Vergleich durchaus üblich – einbezogen werden. Damit würden etwaige negative Arbeitsmarkteffekte abgefedert werden. (APA)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.11.2019)

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