Konzerthaus

Ein Pianist auf dem Königsweg zu seinem Unbewussten

Martin Kohlstedt, deutsches Wunderkind der „Neoklassik“, verzichtet auf fixe Kompositionen. Dafür wurde er in Wien bejubelt.

Vor hundert Jahren hätte Sigmund Freud seine Freude an ihm gehabt. Martin Kohlstedt, eigentümlicher Pianist aus Thüringen, steht nämlich am liebsten an der Kante zur Schlucht, in der das Unbewusste lauert. War für Freud der Traum der Königsweg zum diesem, so ist es für Kohlstedt die Improvisation. Als kleiner Bub schlug er stundenlang zum Rhythmus der im Zimmer hängenden Big-Ben-Uhr einzelne Noten am Klavier an. Das zeitigte beruhigende Wirkung auf ihn, ein hyperaktives Kind. Bald entwickelte er kleine Motive. Der von den Eltern beigezogene Klavierlehrer konnte keinen Virtuosen mehr aus ihm machen. Zu sehr war er davon fasziniert, mit den Klängen in sein Inneres zu gelangen – wenn es zu routiniert werde, strebe er „Richtung Schwäche“, sagt er. Sein in vielen Jahren entwickeltes Vokabular besteht aus Modulen, die er live spontan zusammensetzt. Gleichzeitig entsteht Neues.

„In Lego-Bauweise“

So bestand das erste Stück im Konzerthaus aus Motiven von vier, fünf Kompositionen, die er, wie er sagte, „in Lego-Bauweise“ nez kombinierte. Zwischen bewährten Bausteinen flackerten neue Ideen auf. Kohlstedt demonstrierte neben Originalität auch hohes Arbeitsethos. Ein permanentes Knöpferldrehen an elektronischen Instrumenten sowie der rastlose Wechsel zwischen Flügel und E-Piano kennzeichneten seine Performance. Emotionen, teils heftiger Natur, flackerten über sein Gesicht. Mal sah er aus wie ein glückliches Kind, dann wieder wie ein diabolischer Weltenschöpfer.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.