Klimawandel

Das Comeback des Schlafwagens

SWITZERLAND Im Schlafwagen gemütlich durch die Nacht. In Europa war das vielfach gar nicht mehr möglich – aufgrund der geringeren Nachfrage und des sinkenden Angebots.TRAIN NIGHTJET OEBB
SWITZERLAND Im Schlafwagen gemütlich durch die Nacht. In Europa war das vielfach gar nicht mehr möglich – aufgrund der geringeren Nachfrage und des sinkenden Angebots.TRAIN NIGHTJET OEBBCHRISTIAN BEUTLER / Keystone / picturedesk
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Im Nachtzug durch Europa zu tuckern war nicht nur teuer, sondern auch kompliziert – zumal viele Strecken eingestellt wurden. Das dürfte sich nun ändern.

Wien. Schönreden braucht man den Klimawandel nicht. Viele Jahre lang wurden die Warnungen der Wissenschaftler von der Politik ignoriert. Doch seit die junge Aktivistin Greta Thunberg zur Galionsfigur in der Causa Prima avancierte, steht das Thema hoch oben auf der Agenda. Einige Industrien wird die Erderwärmung bald zum Umdenken zwingen. Andere spüren schon jetzt das gesteigerte Umweltbewusstsein ihrer Konsumenten. Während man sich in Schweden kaum mehr traut, in ein Flugzeug zu steigen, feiert der Schlafwagen in Europa ein Revival.

Dabei war gerade diese Art des Reisens vom Aussterben bedroht. Fliegen ist nun mal schneller und billiger, lautete die Argumentation. Die Bahnen reagierten auf die geringere Nachfrage, sie stellten zahlreiche Verbindungen ein. Der Nachtzug zwischen Zürich und Madrid wurde bereits 2013 abgeschafft, die Verbindungen zwischen Deutschland und Amsterdam, Dänemark und Paris 2014 eingemottet. Italiens Trenitalia stoppte die Rom-Paris-Verbindung 2015. Ein Jahr später beendete auch die Deutsche Bahn ihre Schlafwagen-Ära, während die französische SNCF ein Dutzend ihrer Nachtzüge aus dem Verkehr nahm. Die heimische ÖBB stemmt sich nun federführend gegen diesen Trend. Am 16. Dezember wird Siemens in seinem Werk in Wien mit der Produktion von 13 neuen Nachtzügen für die ÖBB beginnen. Die Schlafwagen erhalten ihre erste Generalüberholung in sechs Jahrzehnten. Der Auftrag der österreichischen Staatsbahn bei Siemens ist übrigens der erste und einzige eines westeuropäischen Eisenbahnunternehmens bei dem Unternehmen seit 15 Jahren.

ÖBB als Vorreiter in Europa

Österreich hat seine Nachtzüge im Gegensatz zu vielen anderen aber nie ganz aufgegeben. Als die Deutsche Bahn im Jahr 2016 ankündigte, ihren Nachtzugbetrieb einzustellen, kündigten die ÖBB an, einzuspringen. Die ÖBB übernahmen damals Strecken wie Hamburg-Zürich und Zürich-Berlin. Die Anzahl der Nachtzugpassagiere soll in diesem Jahr um zehn Prozent steigen. Einige Verbindungen wie Wien-Zürich haben um mehr als 20 Prozent zugelegt. Auch die Verbindung Wien-Venedig wurde wieder aufgenommen. Im Januar fällt der Startschuss für die Strecke Wien-Brüssel.

Möglicherweise reaktiviert auch die Deutsche Bahn ihr Schlafwagengeschäft. Im Unterschied zu früher wolle man die Verbindungen aber mit Partnern betreiben, verlauteten Gerüchte im Herbst. Auch Schweden bereitet derzeit eine öffentliche Ausschreibung für neue Nachtzugverbindungen in andere europäische Länder vor, nachdem die Passagierzahlen in Nachtzügen von Göteborg und Stockholm in die Arktis um 43 Prozent seit ihrem Tief im Jahr 2014 gestiegen sind.

Im November empfahl die norwegische Eisenbahnbehörde, die Nachtzugkapazität zu erhöhen. Auch die Schweizer erwägen, ihre 2009 ausgelaufenen Schlafwagen wieder hervorzukramen. Trenitalia, die an Nachtzügen im Inland festhielt, will 300 Mio. Euro für neue Lokomotiven und Modernisierungen ausgeben. Der Caledonian Sleeper, der London und Schottland verbindet, wurde ebenfalls revitalisiert.

Einheitliche Systeme gefordert

Während es in der EU ein Wirrwarr nationaler Vorschriften für den Zugverkehr gibt, ist der Luftverkehr harmonisiert. Außerdem wird Kerosin nicht besteuert. Während ein Flug von Paris nach Venedig etwa 105 Kilogramm CO2 pro Passagier verursacht, sind es mit dem Zug nur rund 29,4 kg. Angesichts dieser Zahlen gibt es Forderungen von den EU-Regulierungsbehörden nach einer Überarbeitung der Vorschriften.Niedrigere Trassennutzungsgebühren bei Nacht stehen ganz obenauf der Wunschliste, zu der auch harmonisiertegrenzüberschreitende Systeme mit integrierten Fahrkarten undFahrplänen gehören. (Bloomberg/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2019)

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