Die Witwe des Komödianten greift nach der Macht

Iveta Radičová gilt als höflich, aber zu weich.

Bratislava (tha). Erstmals dürfte in der männerdominierten slowakischen Politik eine Frau den Ton angeben: Laut vorläufigem Resultat der Parlamentswahl vom Samstag ist die christlich-liberale Iveta Radičová Favoritin für das Premiersamt.

„Welch wunderschönes morgendliches Wunder!“, jubelte sie Sonntagfrüh, als das Wahlergebnis immer gewisser wurde. Die 53-jährige Soziologin hatte schon vor der Wahl mit den wichtigsten bürgerlichen Parteien Gespräche geführt und sie auf eine gemeinsame Plattform gestellt. Als Spitzenkandidatin der oppositionellen christlich-liberalen SDKU hatte sie der aggressiven Negativkampagne der regierenden Sozialdemokraten und ihrer rechtspopulistischen Koalitionspartner eine gemäßigte, positive Kampagne gegenübergestellt.

Nettigkeit statt Streit

Statt wie die Regierungsparteien Streit mit Ungarn zu suchen und Gegner zu skandalisieren, habe ihre Partei „Lösungen für den Neustart der Wirtschaft und gegen die Arbeitslosigkeit“ angeboten, erklärte sie der „Presse“ ihr Erfolgsrezept. Dass nun wohl erstmals eine Frau die Regierung führen dürfte, ist umso erstaunlicher, als Frauen in der Slowakei bisher kaum in Spitzenämtern waren: Der noch amtierenden Fico-Regierung gehört nur eine an, Sozialministerin Viera Tomanová. Die bis 2006 amtierende Vorgängerregierung des Christdemokraten Mikuláš Dzurinda kam ganz ohne aus.

Populärste Oppositionelle

Die Witwe des 2005 verstorbenen, beliebten Komödianten Stano Radič ist seit 2009, als sie bei der Präsidentenwahl Zweite wurde, zur populärsten Oppositionspolitikerin geworden. Von den Wählern wurde sie über Vorzugsstimmen schon bei der Wahl 2006 vor SDKU-Spitzenkandidat Mikuláš Dzurinda gereiht. Als dieser im Februar von einem Finanzskandal aus seiner Regierungszeit eingeholt wurde, nominierte die Partei Radičová zur neuen Spitzenkandidatin.

Ihre Schwäche wurde aber im Wahlkampf deutlich: Sie gilt zwar als reserviert und höflich, aber ihr fehlt (noch) die Elefantenhaut, die Dzurinda ebenso wie Fico ausgezeichnet hat, wenn der politische Kampf untergriffig wurde.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14. Juni 2010)

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