Wort der Woche

Macht heiraten glücklich?

Eine Forschergruppe kam nun zu dem Ergebnis, dass es für die Lebenszufriedenheit egal ist, ob man mit oder ohne Trauschein als Paar zusammenlebt.

Das Idealbild der Familie wandelt sich stetig. Während die Menschen lange Zeit in Großfamilien mit mehreren Generationen zusammengelebt haben, hat sich im 19. Jahrhundert die Kernfamilie – Mann, Frau und Kind(er) – als „Normalfall“ herauskristallisiert. Das änderst sich nun wieder: Zur Kernfamilie gesellen sich mehr und mehr andere Formen des Zusammenlebens – der Familienbegriff hat sich deutlich erweitert. Die heute in den Sozialwissenschaften gängige Definition umfasst in einem Haushalt zusammenlebende Ehepaare und Lebensgemeinschaften mit oder ohne Kinder sowie Alleinerziehende mit Kindern. Auch Stief- bzw. Patchwork-Familien fallen darunter, nicht aber allein lebende Personen und Wohngemeinschaften.

Laut dem aktuellen Bericht des Österreichischen Instituts für Familienforschung an der Universität Wien waren im Jahr 2018 in 68,8 Prozent aller Familien mit Kindern (unter 15 Jahren) die Eltern verheiratet. 8,7 Prozent der Paare mit Kindern gelten als Stief- bzw. Patchwork-Familien, in ihnen leben 6,8 Prozent aller Kinder. Der Anteil nicht ehelicher Geburten liegt derzeit bei 41,2 Prozent.

Viele alternative Familienformen (zumindest bei heterosexuellen Beziehungen) haben in verschiedenen Kulturen lange Tradition. Die „heilige Familie“, der wir in diesen Tagen gedenken, kann (in heutiger Sprache formuliert) am ehesten als Patchwork-Familie bezeichnet werden – denn Jesus war laut Bibel nicht der leibliche Sohn von Joseph. Ob Maria und Joseph verheiratet waren, kann nicht letztgültig gesagt werden – und auch nicht, wie glücklich sie in ihrer Beziehung waren.

Dass in einer Paarbeziehung lebende Menschen glücklicher sind als allein lebende, ist eine seit Langem bewiesene Tatsache. Angesichts der neuen gesellschaftlichen Realitäten stellt sich nun aber immer mehr die Frage, ob dabei nur das Zusammenleben mit einem Partner eine Rolle spielt oder auch der Akt des Heiratens. Das hat kürzlich eine internationale Forschergruppe um Brienna Perelli-Harris anhand von Daten aus Großbritannien, Norwegen, Deutschland und Australien untersucht. Das Ergebnis: Im Großen und Ganzen (mit kleinen länderspezifischen Abweichungen) gibt es bei der Lebenszufriedenheit keinen Unterschied zwischen verheirateten Paaren und solchen, die ohne Trauschein zusammenleben (Demography, 56: 1219). Als viel wichtigerer Faktor hat sich herausgestellt, wie zufrieden die Menschen mit der Qualität der Beziehung sind.


Der Autor leitete das Forschungsressort der „Presse“ und ist Chefredakteur des „Universum Magazins“.

meinung@diepresse.com

diepresse.com/wortderwoche

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.12.2019)

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