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Griechenland warnt Türkei vor Instrumentalisierung der Flüchtlingskrise

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Der türkische Präsident drohte, die Zehntausenden Flüchtlinge, die aus der syrischen Krisenregion Idlib kommen, in die EU weiterzuschicken. Doch die griechischen Inseln sind bereits jetzt überfordert.

Die Türkei sollte aus Sicht der griechischen Regierung den Flüchtlingspakt mit der EU einhalten und Migration nicht instrumentalisieren, um Druck auszuüben. Griechenland, das habe der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis wiederholt gesagt, sei offen dafür, dass die Türkei mehr Unterstützung fordere, um Flüchtlinge unterzubringen, anstatt sie nach Europa zu lassen, hieß es am Montag aus griechischen Regierungskreisen. Zusätzliche finanzielle Unterstützung müsse jedoch durch Beratungen mit der EU und nicht durch Drohungen erzielt werden.

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte am Sonntag gesagt, mehr als 80.000 Menschen seien durch die Bombardements aus der syrischen Provinz Idlib vertrieben worden und auf dem Weg in die Türkei, was auch Griechenland und Europa zu spüren bekommen würden.

Dabei wird in Griechenland schon längst Alarm geschlagen. Erst vergangene Woche hatte die Hilfsorganisation Human Rights Watch (HRW) an die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union appelliert, die unbegleiteten Kinder und Jugendlichen umgehend von den Inseln zu holen. Allein auf Lesbos seien Hunderte Kinder unmenschlichen Bedingungen ausgesetzt und erhielten keine Plätze in den überfüllten Räumlichkeiten für unbegleitete Minderjährige.

Eine Toilette für 100 Menschen

Die türkische Hilfsorganisation IHH teilte am Montag mit, dass die Zahl der syrischen Flüchtlinge aus der Region Idlib auf dem Weg in die Türkei auf 120.000 angewachsen ist. Derzeit liefen die Vorbereitungen für ein Zeltlager in der Nähe der Ortschaft Killi, die 13 Kilometer vor der türkischen Grenze liegt, sagte ein IHH-Sprecher.

Insgesamt befanden sich laut UNHCR Ende 2018 rund 138.000 Flüchtlinge und Asylwerber in Griechenland, in der Türkei waren es rund vier Millionen.

Auch Ärzte-ohne-Grenzen-Chef Christos Christou forderte Ende November schnelles Handeln: So teilten sich etwa auf Samos je 300 Migranten eine Toilette, die Zustände seien katastrophal. Schon bei Kindern gebe es Selbstmordversuche und psychische Probleme, sagte Christou.

Katastrophale Lage als Abschreckung?

Laut UNO-Flüchtlingshochkommissariat (UNHCR) leben in ganz Griechenland rund 4000 unbegleitete minderjährige Migranten. Auf den Inseln Samos, Lesbos, Chios, Leros und Kos sollen es rund 1800 sein. Gut 40 Prozent aller ankommenden Migranten sind Kinder, wie es vom UNHCR heißt - allein in diesem Jahr waren demnach rund 28.000 Kinder und Jugendliche unter den Migranten.

Regierungschef Mitsotakis hatte bereits im September an die EU-Staaten appelliert, zumindest Kinder aufzunehmen. Die Problematik konnte bisher auch der neue konservative Premier nicht in den Griff kriegen. Helfer mutmaßen, die Regierung belasse die Situation auf den Inseln absichtlich so schlecht, um weitere Migranten abzuschrecken. Athen hingegen kritisiert die mangelnde Solidarität der EU-Mitgliedsstaaten, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen.

Nach wie vor mangelt es auf den Inseln außerdem an Fachpersonal und Übersetzern bei der Bearbeitung der Asylanträge, weshalb die Migranten zum Teil länger als ein Jahr auf den Inseln ausharren, während immer neue Migranten von der Türkei übersetzen. Lag die Zahl der Migranten im April 2019 noch bei rund 14.000, ist sie seither auf fast 42.000 gestiegen, heißt es beim griechischen Bürgerschutzministerium.

Angst vor Gefängnissen und „Flüchtlingsinseln“

Konkret bedeutet das, dass die Aufnahmelager auf den Inseln heillos überfüllt sind. So leben etwa auf Samos knapp 7.00 Flüchtlinge und Migranten in und um ein Lager, das über gerade mal 648 Plätze verfügt. Auf Lesbos beträgt die Kapazität 2840 Plätze, die Zahl der Migranten beläuft sich laut griechischem Bürgerschutzministerium aktuell auf 18.620 Flüchtlinge und Migranten - und jeden Tag kommen neue hinzu.

Premier Mitsotakis hatte deshalb angekündigt, viele jener Menschen von den Inseln zu holen, die gute Aussichten auf Asyl haben. Gleichzeitig sollen die bestehenden Lager aufgelöst und neue, geschlossene Lager gebaut werden. Dieser Plan stößt jedoch bei Hilfsorganisationen und der Inselbevölkerung auf Kritik und Gegenwehr. Die Helfer warnen davor, die Menschen de facto in Gefängnisse zu sperren. Die Inselbewohner, die ohnehin seit Jahren unter dem Flüchtlingszustrom leiden, haben Angst, dass ihre Heimatinseln durch die neuen Lager langfristig zu "Flüchtlingsinseln" werden.

(APA/AFP/dpa/Reuters)

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