Von Selbstverteidigung hält Jens Misera im Ernstfall wenig. Sein „Zielpunkttraining“ setzt bewusst dort an, wo nur mehr brutale Gewalt hilft. Aber ist man als Durchschnittsmensch bereit, Kiefer zu brechen und Schienbeine durchzutreten?
Es erinnert an eine absonderliche Tanzszene. Ein Mann liegt am Boden, leicht gekrümmt. Der andere steht über ihm, hebt in Zeitlupe das Bein und stoppt. Er überlegt, wo er hintreten soll. Knöchel, Bauch, Ohr? Schließlich senkt er die Ferse auf den Hals. Ganz langsam, sachte. Der andere öffnet die Lippen und formt einen lautlosen Schrei.
Stille ist Voraussetzung bei diesem stummen Ballett der Gewalt, das acht Männer und drei Frauen in den U-Bahn-Bögen der Sportunion Döbling aufführen. Orchestriert wird es von Jens Misera – Jahrgang 1981, raspelkurzes Haar, groß, schwarze Jeans, Trainingsjacke, ernstes Gesicht. Wenn nicht geredet werde, sei es einfacher, den anderen nicht als Mitmenschen, sondern als Objekt zu betrachten, erklärt er. Und genau das soll hier gelernt werden. „Ihr kanntet Gewalt bisher nur aus der Verliererperspektive. Jetzt lernt ihr die Sicht eines Soziopathen“, sagt er. „Auf Augenhöhe mit einem Wahnsinnigen kommen“ – das ist das Ziel.