Jazzmoderne

Miles-Davis-Nostalgie: Leise war das neue Laut

Trompeter Lorenz Raab (Archivbild).
Trompeter Lorenz Raab (Archivbild).(c) imago stock&people
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Trompeter Lorenz Raab begab sich bei seinem Konzert im Porgy & Bess mit seinem Septett lustvoll in die Fußstapfen eines Joe Zawinul und Miles Davis. Ein fesselnder Abend.

Das leise „In a Silent Way“ zählt zu den bedeutendsten Kompositionen von Joe Zawinul. Komponiert hat er es auf Heimaturlaub im Landstraßer Einkaufszentrum AEZ, wo sich in den Sechzigern in der obersten Etage ein Hotel befand, von dem aus Zawinul den winterlichen Stadtpark überblickte. Dort fiel ihm jene unsterbliche Melodie ein, die auch für heutige Ohren hochmodern klingt.

Der amerikanische Startrompeter Miles Davis hat „In a Silent Way“ 1969 u. a. mit Zawinul selbst aufgenommen, wollte ihm sogar das Copyright dafür abluchsen. Das hat der clevere Österreicher nicht mit sich machen lassen. „In a Silent Way“ wurde zu einem Wendepunkt in der Musik von Miles Davis. Es beendete die im Jazz damals herkömmliche Dominanz von Trompete und Saxofon und ebnete den Weg zum 1970 veröffentlichten Album „Bitches Brew“, das als Geburtsstunde der Jazz-Rock-Fusion gilt. Schon „In a Silent Way“ war von einem Oszillieren zwischen akustischen und elektronischen Signalen gekennzeichnet. Damit wechselten die Kraftfelder permanent: Einmal war die Gitarre, einmal die Orgel und das E-Piano oder auch das Schlagzeug Ausgangspunkt neuer musikalischer Pointen.

Die Idee der prinzipiellen Gleichberechtigung aller Instrumentalisten war nun auch dem hiesigen Trompeter Lorenz Raab Ausgangspunkt für sein neuestes Projekt. „Reflexions on Miles Davis – In a Silent Way“ stellte er mit sechs heimischen Spitzenmusikern im Porgy & Bess vor. Das Eröffnungsstück, Miles Davis' „Shhh/Peaceful“, dauerte beinah eine Dreiviertelstunde und war eigentlich schon der Höhepunkt eines fesselnden Konzertabends. Pianist Philipp Nykrin entriegelte rätselhafte Klänge, Schlagzeuger Andreas Lettner versuchte sich in Drum'n'Bass-Beats und Christof Dienz bezirzte mit psychedelischen Klängen auf seiner E-Zither. Primus Sitter an der E-Gitarre war überhaupt eine eigene Entität, der eine Verwurzelung in einer herkömmlichen Tradition nicht zuzusprechen war. Trompeter Raab und Saxofonist Stepán Flagar hatten sich dazu abkommandiert, sittsam die Melodien in diesem wunderbaren Unruhefeld zu exekutieren.

Auch „The Ghetto Walk“, das zweite Stück des Abends, demonstrierte, wie avanciert die Musik von Miles Davis in den späten Sechzigerjahren war. Das bluesrockige Stück mit dem markanten Jimi-Hendrix-Einfluss spielten die Musiker erdig und doch verspielt. Selbst mit krachigeren Passagen wurde in tranceähnliche Zustände gelockt.

Dank Discman verinnerlicht

Im zweiten Set dominierten dann Raabs von Davis' Ästhetik inspirierte Eigenkompositionen. Das Original ist ihm in Fleisch und Blut übergegangen. Er hat es auf zahllosen Bahnfahrten zwischen Oberösterreich und Wien auf einem Discman gehört, einer Gerätschaft, die beinah auch schon vergessen ist. Das zur Versenkung einladende „Impassioned“ und das heftig pulsierende „Chasin' the Dragon“ waren die auffälligsten Stücke. Superber Schlusspunkt war die Dienz-Tondichtung „Hey Lo!“, in der sich das Halbstarke und das Melancholische charmant verbanden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.01.2020)

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