Im Inselstaat in Ostasien finden heute Präsidenten- und Parlamentswahlen statt. Dort dreht sich die gesamte Politik um das Verhältnis zur Volksrepublik China. Die Geschehnisse in Hongkong sind für viele Wähler ein warnendes Beispiel.
Taipeh. Im Alltag versucht die 33-jährige Chuen Hu, politische Diskussionen mit Kollegen und Freunden zu vermeiden, denn unter ihren Altersgenossen ist die zierliche Taiwanerin eine klare Außenseiterin. Doch am Donnerstagabend vor der Präsidentschaftswahl ist sie auf die von Palmen gesäumte Prachtallee vor dem Präsidentenpalast Taipehs gezogen, die bereits von Zehntausenden Demonstranten in ein rot-blaues Fahnenmeer gehüllt wird.
„Mein Umfeld hält es geradezu für dämlich, dass ich die Kuomintang unterstütze“, sagt Hu. Doch für sie vertrete die konservative Partei am glaubhaftesten die in Ostasien traditionellen konfuzianischen Werte.
Ein älterer Herr, der Ende der 1990er-Jahre nach Kanada ausgewandert und extra für die Stimmenabgabe in seine alte Heimat gereist ist, fügt hinzu: „Ich unterstütze die Kuomintang, weil sie für eine Annäherung mit China steht. Wir sind das gleiche Volk und sollten Harmonie wahren, anstatt uns gegenseitig zu provozieren.“ Tatsächlich dreht sich fast alles um die Beziehungen zur Volksrepublik China, wenn im Inselstaat Taiwan am 11. Jänner Wahlen stattfinden.
Die progressive Regierungspartei mit Präsidentin Tsai Ing-wen steht für einen konfrontativen Kurs gegenüber Peking, Gleichberechtigung von Frauen und Rechte für die Ureinwohner des Inselstaats. Die Kuomintang hingegen, angeführt vom Spitzenkandidaten, Han Kuo-yu, möchte die wirtschaftlichen Beziehungen mit dem großen Nachbarn verbessern – vor allem der Wirtschaft wegen. Bis letzten Sommer lagen die beiden politischen Lager noch gleichauf.