Hahnenkammrennen

Günther Mader: „Es war abartig, ich habe richtig mit mir gekämpft“

Kitzbühel-Champion Günther Mader 1996. Auf den Schultern von Trainer Robert Trenkwalder (l.) und Bruder Stephan, zugleich sein Schuhservicemann.
Kitzbühel-Champion Günther Mader 1996. Auf den Schultern von Trainer Robert Trenkwalder (l.) und Bruder Stephan, zugleich sein Schuhservicemann.(c) RUBRA / APA / picturedesk.com (RUBRA)
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25 Jahre nach seinem ersten Kitzbühel-Sieg erzählte Günther Mader von radikalen Materialtricks auf der Streif, wie er das erste Privatteam der Skiwelt durch- setzte und wie nach seinem Schlaganfall alles wieder von vorn begann.

Schon bevor Sie 1995 den Super-G in Kitzbühel gewonnen haben, war Ihr Trainer Robert Trenkwalder so siegessicher gewesen, dass er gern gewettet hätte. Nur hat er auf die Schnelle kein Wettbüro gefunden.

Günther Mader: Das hätte ich mir nicht getraut. Beim Rennen war ein ziemlicher Aufruhr, weil es in Kitzbühel noch keinen Super-G gegeben hatte und sie nicht wussten, wie sie die Tore setzen sollten. Drei haben sie dann in die Traverse hineingesetzt. Beim Rennen sind nicht viele durchgekommen, der Rest ist da oben hinaus (lacht).

Ein Jahr später haben Sie mit dem Abfahrtssieg nachgelegt. Die Bedingungen damals gehörten zu den schwierigsten überhaupt. Schon im Training gab es wilde Stürze.

Da ist es richtig dahingegangen. Brutal. Abartig. Alles nur Kunstschnee, links und rechts war alles braun. Es hat nur ein Training gegeben, da hat es Lasse Kjus ins Netz gehaut, mich haben sie danach am Hausberg abgewunken. Von dort habe ich hinuntergeschaut, wie sie ihn mit dem Hubschrauber weggebracht haben. Lasse war damals der beste Skifahrer, ich habe mit ihm um den Gesamtweltcup gekämpft, so einer fliegt nicht so leicht ab. Ich habe dann ein paar Minuten richtig mit mir gekämpft, ob ich noch einmal herunterfahre oder das Training sein lasse.

(c) Michael Leckel

Wie entscheidet man so etwas?

Irgendwann habe ich mir gesagt, wenn ich nicht ganz runterfahre, kann ich das Rennen nicht gewinnen. Ich bin mit dem Hubschrauber wieder hinauf, aber mein Servicemann war nicht mehr da. Ich habe irgendeinen anderen Servicemann gesucht, der mir schnell die Kanten ein bisserl nachfeilt. Das Ganze war schon eine Challenge.

Wo steht der Siegerski von damals?

Bei mir daheim in der Vitrine. Der ist gar nicht so viel anders als die heutigen Abfahrtsskier. Natürlich mit weniger Grip und Stabilität, die haben vorn bei der Schaufel ziemlich geschlagen.

Am Material getüftelt wurde schon damals?

Ja. Ich habe beim Abfahrtssieg sehr vieles meinen beiden Serviceleuten zu verdanken. Die Schaufel hat zu viel geschlagen, das haben wir auch im Video gesehen. Damals hatten die Salomon-Skier ein Plastikkapperl vorn drauf. Das haben sie heruntergenommen, dann ein Stück von der Schaufel weggeschnitten und wieder draufgesetzt.

Die haben Ihren Abfahrtsski einfach abgeschnitten?

Sonst hätte ich Kitzbühel wahrscheinlich nicht gewonnen, die Schaufel war danach viel ruhiger. Ein paar Saisonen später haben alle Skifirmen dann kürzere Schaufeln gemacht.

Kitzbühel hat legendäre Siegesfeiern gesehen. Wie haben Sie gefeiert?

Fast gar nicht. Am nächsten Tag war der Kombislalom mit zwei Durchgängen. Und das mit Startnummer 40 und einer Scheißpiste. Diese Kombi war schon brutal schwierig damals.

Welches Preisgeld gab es? Was haben Sie sich davon geleistet?

400.000 Schilling für den Abfahrtssieg. Und nichts Besonderes.

Nicht die Welt im Vergleich zu heute (100.000 Euro). Aber man muss sich keine Sorgen machen um Günther Mader.

Aber nein. Ich arbeite noch (lacht).

Als Sie dann nach Ihrem Schlaganfall nach Kitzbühel, also den Ort Ihres größten Triumphs, zurückgekehrt sind, mussten Sie sich alle Namen auf einen Zettel notieren.

Auch Orte und Zeiten, ich habe gar nichts mehr gewusst. Ich habe mir alles aufgeschrieben, wo ich hin muss, wie das Hotel heißt. Ich habe nicht mehr gewusst, dass es Streif oder Mausefalle heißt. Alles weg.

Wie geht es Ihnen heute?

Es geht mir gut. Ich sage immer, mir kann nichts Besseres passieren. Es hätte viel schlimmer sein können, ich hätte nie mehr Skifahren gehen, nie mehr arbeiten, nie mehr reden können. Wenn es blöd hergeht, nicht mehr gehen. Der Familie geht es gut, im Job kann ich meine Erholungsphasen einhalten und dann passt auch das.

Zurück in die 90er: Als Sie Robert Trenkwalder als Ihren Individualtrainer bei ÖSV-Boss Peter Schröcksnadel durchgesetzt hatten, begründeten Sie auch einen Trend. Hatten Sie das erste Privatteam im Skizirkus?

Im Prinzip schon. Wobei ich das eigentlich nicht wollte. Mein Problem war, dass ich ständig in einer anderen Disziplin gut war. Deswegen war ich einmal im Riesentorlaufteam, dann wieder bei der Abfahrtsmannschaft, es gab sogar ein Jahr lang ein eigenes Kombiteam, aber das hat nicht funktioniert. Diese Hin- und Herschieberei ist mir auf die Nerven gegangen. Am meisten aber, dass sich die Trainer alle untereinander ausgespielt haben. Wenn ich in der einen Disziplin gut war, sagten sie, der trainierte ja bei mir. Wenn ich in der anderen schlecht war, hieß es, der trainiert ja nie bei mir. Das habe ich damals versucht, dem Peter zu erklären. Und als ich immer wieder nebenbei ein paar Tage mit dem Robi trainiert habe . . .

. . . heimlich, erzählt man sich.

Naja, was heißt heimlich. Jedenfalls habe ich gesehen, dass ich mich so in schwierigen Zeiten gefangen habe. Ich habe dann gesagt, ich brauche einen Trainer, der sich um mich kümmert. Wie soll das sonst mit vier Disziplinen funktionieren? Das ist ja auch materialmäßig eine Herausforderung. Zu dieser Zeit war der ÖSV mit seiner Denkweise nicht so weit. Das haben sie auch erst lernen müssen. Umgesetzt wurde es dann schnell, bei der nächsten Generation war das ganz normal.

Heute lautet die Regel: Kein Gesamtweltcup ohne Privatteam. Als Rennchef einer Skifirma müssten Sie das doch kritisch sehen.

Teilweise ja. Manchmal denkst du dir schon, ob jetzt jeder Slalomspezialist wirklich seinen eigenen Servicemann haben muss.

Ihr Salomon-Team kam bei den Kreuzbandrissen heuer besonders zum Handkuss.

Ja, leider. In Bormio habe ich keine Freude gehabt (Anm.: Hannes Reichelt und Christopher Neumayer erlitten dort Kreuzbandrisse). Wir haben sowieso ein kleines Team, das tut weh. Beide waren am aufsteigenden Ast.

Hat Sie als Aktiver eigentlich jemals der Nationencup interessiert?

Gar nicht. Das war immer schon eine Verbandsgeschichte. Außerdem hat es uns Rennläufer auch deshalb nicht interessiert, weil wir ihn sowieso prinzipiell jedes Jahr gewonnen haben.

Heuer könnte diese Ära aber zu Ende gehen. Ist das Erbe der Skination in Gefahr?

Ich sehe das nicht so negativ. Aber die Zeiten haben sich geändert. Während meiner Karriere gab es viele Läufer, die bis 23, 24 Jahre extrem gekämpft haben, um irgendwann im Weltcup zu fahren. Das hat sich aufgehört. Im Jugendrennlauf wird der Druck immer größer, die Eltern wollen auch eine ordentliche Ausbildung für ihre Kinder. Dann kommen zig Sportarten dazu, dieser Generation steht die ganze Welt offen. In Gries am Brenner haben wir damals nicht einmal einen Fußballplatz gehabt, Tennisplatz auch keinen.

In Ihrer Heimat sind Sie von Zeit zu Zeit auch bei einer Skitour anzutreffen.

Ja, in den Seitentälern des Brenners, da wo ich herkomme, Vals, Schmirn. Geheimtipp ist das aber keiner. Der Sattelberg, auf dem ich Skifahren gelernt habe, ist jetzt ein Tourenmekka. Da sind am Wochenende mindestens 500 Leute oben.

Nicht jeder heißt diesen Trend gut.

Ich sehe es ein bisschen kritisch. Auch bei größeren Touren sehe ich immer wieder Leute, die vom skifahrerischen Können da oben eigentlich nichts verloren hätten. Aber das ist halt momentan modern.

Steckbrief

Günther Mader,
geb. am 24. Juni 1964, aufgewachsen in Gries am Brenner.

Kitzbühel
Sieg Super-G 1995,
Sieg Abfahrt und Kombination 1996.

Gesamtweltcup
Zweiter Platz 1994/95
und 1995/96.

Allrounder
Mader ist einer von nur fünf Rennläufern, die in jeder Disziplin Weltcuprennen gewonnen haben.

Medaillen
Olympiabronze 1992 (Abfahrt), sechs WM-Medaillen.

Beruf
Rennsportchef Salomon.

Privat
Mader wohnt in Mieders im Stubaital. Verheiratet in zweiter Ehe. Drei Kinder (geb. 1987, 1992, 2011). Hobby: u.a. Golf.

Schlaganfall
1998 erlitt Mader einen Schlaganfall, seine rechte Körperhälfte war gelähmt, er verlor 85 Prozent seines Wortschatzes.

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