Spaniens Reformen: Die Uhr tickt

Die Arbeitsmarktreform ging durchs Parlament, weil sich die Opposition der Stimme enthielt. Jetzt beginnt das Feilschen um Abänderungen.

Wien (gau). Arbeitsminister Celestino Corbacho sieht Spaniens Lage nüchtern, realistisch und gerade deshalb dramatisch: „Die Reform wird keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Aber sie dient dazu, nicht noch mehr Jobs zu zerstören.“ Was jahrelang nicht machbar schien, hat die akute Notsituation der viertgrößten Volkswirtschaft der Eurozone möglich gemacht.

Von Brüssel und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) bedrängt, hatte Premier José Luiz Rodriguez Zapatero in der vergangenen Woche per Dekret eine Reform des starren Arbeitsmarktes auf den Weg gebracht. Gestern, Dienstag, brachte seine Minderheitsregierung die Reform durch das Parlament, weil sich die konservative Opposition der Stimme enthielt.

Ein historischer Durchbruch? Die Finanzmärkte blieben ungerührt: Die Risikoaufschläge für spanische Staatsanleihen erreichten gestern neue Rekordwerte und blieben dort auch nach der Ankündigung der Stimmenthaltung. Denn die Beobachter wissen: Jetzt beginnen die Mühen der Ebene. Dem Partido Popular (PP) gehen die Vorschläge viel zu wenig weit. Seine Abgeordneten wollen durch Abänderungsanträge zeigen, „dass eine andere Reform möglich ist“.

Wirksam erst im August?

Der Bearbeitungsprozess wird zwar für diesen so wichtigen Gesetzesantrag beschleunigt, könnte sich aber dennoch bis in den August hinziehen. Die Sozialisten malen den Teufel schon an die Wand: Solange sich die Konservativen zieren, ändere sich auf dem Arbeitsmarkt gar nichts. Denn die Unternehmer werden erst dann neue Mitarbeiter anstellen, wenn sie einen definitiven Gesetzestext in Händen halten. Die Zeit drängt. 20 Prozent der Spanier sind arbeitslos, unter den Jugendlichen sind es sogar doppelt so viele. Dieser EU-Negativrekord hat viel damit zu tun, dass fix Beschäftigte praktisch unkündbar sind und Junge in der Krise keine Chance haben, zu einer Anstellung zu kommen. Die Reform sieht niedrigere Abfertigungen, vereinfachte Arbeitsverträge und neue Rahmenbedingungen für die Kollektivvertragsverhandlungen vor.

Applaus kam von US-Präsident Barack Obama, der zum Hörer griff und Zapatero zu seinen „mutigen und angemessenen Maßnahmen“ gratulierte. Wie sehr die Sozialisten bei diesem Gesetz über ihren Schatten springen mussten, zeigt auch eine Wortmeldung des Ex-Provinzfürsten der Extremadura: Juan Carlos Rodríguez Ibarra nannte die Reform „einen Triumph der Märkte. Aber die Alternative wäre Selbstmord gewesen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.06.2010)

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