Konzert

Melanie Martinez: Anarchie und Erdbeerduft im Gasometer

Melanie Martinez (Archivbild).
Melanie Martinez (Archivbild).(c) imago images/Pacific Press Agenc (Denis Ulliana via www.imago-imag)
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Sensibel und hochintelligent ist sie. Die 24-jährige Melanie Martinez wird wohl bald zur Riege der Superstars aufschließen. Bei ihrem Auftritt in Wien zeigte sie, dass Naivität auch kluge Konstruktion sein kann.

Eine Bühne auf der Bühne. Mittendrin bewegte sich die winzige Sängerin wie eine Marionette. Das Merkwürdige daran? Das mutete beinah anmutiger an als die Tänze, die Melanie Martinez vor dem Ohrwurm „Show & Tell“ gegeben hatte. Mit ihrer herzigsten Kinderstimme sang sie jetzt durchaus Böses. „Show and tell I'm on display for all you fuckers to see. Buy and sell (buy and sell me, baby) like I'm a product to society. Art don't sell unless you fucked every authority.” Am Ende riss sie die Stricke durch und entfleuchte in wilde Anarchie.

Melanie Martinez ist 24 Jahre alt und hat auch ihr zweites Album hoch in den amerikanischen Charts geparkt. Platz drei gab es für „K-12“, das in vielerlei Hinsicht aus der Zeit gefallen ist. Es ist eine konzise Liedersammlung, ein Konzeptalbum, zu dem sie, die vorher noch nie Regie geführt hat, einen Spielfilm gedreht hat. Was für ein Talent!

Der Öffentlichkeit hat sich Martinez zunächst in der Castingshow „The Voice“ vorgestellt. Da musste sie, die seit ihrem 13. Lebensjahr selbst komponiert, die Lieder anderer singen. Ihre Liebe zum Aufwand zeigte sich auch im Wiener Gasometer. Jedes Lied bekam sein eigenes Bühnenbild. Die Umbaupausen waren musikalisch unterlegt. Martinez' ausgeprägter Formwille siegte über die Macht des Flows, der für gewöhnlich den Rhythmus von Shows bestimmt. Musikalisch einzig von Schlagzeug, Cello und Keyboards begleitet, berauschten zudem preziöse Tanzchoreografien.

Der Tanz mit dem Bügeleisen

Das herrlich naiv gesungene „Wheels on the Bus“ eröffnete den melodiensatten Liederreigen. Der Bus auf der Leinwand war rosa, die Büsche im Park waren hasenförmig geschnitten, als stammten sie aus einem Rokokogarten. Immer wieder tauchte eine streng aussehende Frau Lehrer auf der Leinwand auf, die Lektionen wie „protecting your energy“ erteilte. Letzteres negierte Martinez zu gern. Ausgelassen tanzte sie sich durch ihr Repertoire. Im hübsch groovenden „Drama Club“ tanzte sie mit ihrer Truppe höfische Tänze – wenn kein Partner da war, dann eben mit dem Bügeleisen.

Ihre Szenarien docken ideal an Themen an, die Schüler und Schülerinnen so haben. Nebulöse Liebesfantasien und konkrete Esssehnsüchte wechselten. „Lunchbox Friends“ hieß ein Song, ein anderer „Strawberry Cake“. Und plötzlich roch es im Saal nach Erdbeere. Was für eine Opulenz!

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2020)

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