Pop Art

Der religiöse Andy Warhol

Andy Warhols „Skull“ aus dem Jahr 1976 orientiert sich motivisch an der klassischen Vanitas-Darstellung.
Andy Warhols „Skull“ aus dem Jahr 1976 orientiert sich motivisch an der klassischen Vanitas-Darstellung.Sotheby's
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Der Künstler schaffte es auch 2019 in die Top-10-Liste der teuersten Werke. Sotheby's widmet jetzt eine Ausstellung seiner spirituellen Seite.

In Zukunft wird jeder 15 Minuten lang berühmt sein“, prophezeite Andy Warhol schon 1969. Schaut man sich die heutige Social-Media-Welt an, war diese Aussage visionär. Warhol war ein Marketinggenie. Er wusste instinktiv, wie man eine Idee formuliert, damit sie die Aufmerksamkeit der Medien auf sich zieht. So gelang es ihm nicht nur seine Kunst, sondern auch seine Person in den Mittelpunkt zu rücken. Seine Bilder wurden – millionenfach reproduziert auf Geschenkpapier, Plastiktaschen, T-Shirts, Kaffeetassen und Poster – zum Massenartikel, schon lange vor Facebook und Instagram. Das gelang ihm, indem er sich typisch amerikanischer Produkte aus dem Massenkonsum bediente und diese für seine Arbeiten häufig als Motive wählte, wie beispielsweise die berühmte Coca-Cola-Flasche oder die Campbell-Soup-Dose.

Stars fürs Branding. In den frühen 1960ern wandte er sich den Medienbildern von Filmstars und Pop-Ikonen wie Marilyn Monroe, Elvis Presley und Liz Taylor zu. Er akzentuierte, verfälschte und verfremdete die Porträts mit poppigen Farben. Damit gelang es ihm, den ausgeprägten Starkult um Schauspieler, Politikergattinnen und Musiker über die unverwechselbare Stilisierung ihrer Porträts auf sich selbst zu übertragen. Damit sprach er eine breite Öffentlichkeit an. Dank der Drucktechnik konnten die Werke in großen Serien produziert und der breiten Masse zugänglich gemacht werden.

Trotz seiner massentauglichen Kunst erfuhr er auch von Institutionen früh Anerkennung. So stellte er schon 1956 erstmals im Museum of Modern Art aus. Inzwischen vergeht kein Jahr mehr, in dem Warhol nicht in irgendeinem Museum auf der Welt vertreten ist. So widmet heuer ab 12. März die Tate Modern in London Warhol eine Retrospektive. Unter dem Titel „Now“ werden mehr als 100 Werke gezeigt, darunter eben seine berühmtesten Motive wie Marilyn Monroe, Coca-Cola-Flaschen und die Campbell-Soup-Dosen. Erstmals widmet sich die Ausstellung aber auch seiner Homosexualität sowie der Bedeutung seiner Mutter, die aus der heutigen Slowakei in die USA eingewandert war. Die Ausstellung geht im Anschluss im Oktober ins Ludwig Museum in Köln.

Unbekannte Seite. Einer relativ unbekannten Seite Warhols widmet sich das Auktionshaus Sotheby's in der Verkaufsausstellung „Heaven and Hell Are Just One Breath Away“ in der S/2 Gallery Sotheby's in London, die noch bis 28. Februar läuft. Sie zeigt seine Auseinandersetzung mit Religion und Sterblichkeit. Warhol wurde in eine zutiefst katholische Familie geboren und auch er selbst war ein höchst spiritueller Mensch, der mit seiner Mutter wöchentlich die Gottesdienste besuchte.

Doch künstlerisch begann er sich erst spät mit religiösen Themen auseinanderzusetzen. Zu den Höhepunkten der Ausstellung und auch Warhols spirituellem Schaffen zählt die „Last Supper“-Serie. Der Künstler ließ sich dafür von Leonardo da Vincis berühmtem Gemälde inspirieren. Seine Mutter hatte eine Abbildung des Meisterwerks von da Vinci in ihrer Bibel und eine Reproduktion hing an der Wand in Warhols Elternhaus in Pittsburgh.

Neben der Neuinterpretation des Renaissancewerks hängt die Arbeit „Heaven and Hell Are Just One Breath Away!“, die gleichzeitig Namensgeber der Ausstellung ist. Ein italienisches Vanitas-Stillleben mit Schädel aus dem 17. Jahrhundert wurde in Dialog gesetzt mit Warhols „Skull“ aus dem Jahr 1976. Es ist ein weiteres Topwerk der Ausstellung. Warhol interpretierte die klassische Vanitas-Darstellung im modernen Pop-Art-Stil mit bunten Farben. Als Vorlage diente ihm ein menschlicher Schädel, den er auf einem Pariser Flohmarkt erstanden hatte. Die meisten Arbeiten sind verkäuflich. Die Preisspanne reicht von 175.000 Dollar bis 2,5 Millionen Dollar.

Auf dem Kunstmarkt gehört Warhol zur absoluten Oberliga. So finden sich seine Werke fast jedes Jahr in den Listen der teuersten Künstler. Allerdings ist die Zeit, in der jede seiner Arbeiten unabhängig von Bedeutung und Qualität einen Spitzenpreis erzielt, vorbei. Der Kunstmarkt ist nicht mehr bereit, jeden Preis zu bewilligen, nur weil es sich um einen Superstar handelt.

So wurde auch für Warhol seit 2013 kein neuer Auktionsrekord mehr erzielt. Nur einmal überschritt der Künstler die magische Grenze von 100 Millionen Dollar und das auch nur inklusive Käufergebühr. Im November 2013 erzielte „Silver Car Crash (Double Desaster)“ bei Sotheby's 105,4 Millionen Dollar und damit seinen bis heute ungeschlagen höchsten Preis. Der Zuschlag lag allerdings bei 95 Millionen Dollar. Auch ein Blick auf die Auktionsumsätze zeigt, dass Warhol seinen Höhepunkt 2014 und 2015 erlebt hat, mit Umsätzen von 653 Millionen Dollar und 523 Millionen Dollar. Ein Jahr später brach der Umsatz auf 163 Millionen Dollar ein. Im Vorjahr lag er bei 192 Millionen Dollar.

Die teuerste Arbeit 2019 war mit 53 Millionen Dollar „Double Elvis (Ferus Type)“ von 1963, erzielt im Mai bei Christie's in New York. Sie schaffte es damit in die Top-10-Liste der teuersten Auktionspreise 2019. Allerdings lag der Preis am unteren Ende der Schätzung von 50 bis 70 Millionen Dollar.

Private Sale. Übrigens soll der höchste Preis für Warhol bei 250 Millionen Dollar liegen. Medienberichten zufolge zahlte der Hedgefondsmanager Kenneth Griffin diesen Preis für eine „Orange Marilyn“. Private Sales gehen diskret abseits der Öffentlichkeit über die Bühne und sind oftmals mit höheren Preisen verbunden, als auf Auktionen erzielt werden, gehen aber auch nicht in offizielle Listen ein.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2020)

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