Grippewelle auf dem Höhepunkt: Anschober will mehr impfen

MINISTERRAT: ANSCHOBER
MINISTERRAT: ANSCHOBER(c) APA/ROLAND SCHLAGER (ROLAND SCHLAGER)
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Der Gesundheitsminister kritisiert die geringe Durchimpfungsrate bei der Grippe - die er für weitaus dramatischer als das Coronavirus hält. Aber auch bei anderen durch Impfung verhinderbaren Krankheiten gibt es große Impflücken.

Die Grippewelle in Österreich dürfte ihren Höhepunkt erreichen. Pro 100.000 Einwohner schätzte das Diagnostische Influenza Netzwerk Österreich (DINÖ) in seinem wöchentlich veröffentlichten Update die Zahl der Neuerkrankungen auf mehr als 2200. Vorherrschend ist nach wie vor der Influenza-Virus Typ A.

In Wien wurden knapp 14.000 Neuerkrankungen gemeldet, in Graz sind es mehr als 6.500. Laut DINÖ ist normalerweise in den Kalenderwochen sieben und acht das Maximum der Influenza-Aktivität erreicht. Jedenfalls scheint die Virus-Aktivität deutlich höher als in den vergangenen Jahren: 2019 war die Kurve auf bis zu rund 1.400 Neuerkrankungen pro 100.000 Einwohner in einer Woche angestiegen. Im Jahr davor waren es knapp 1800 Neuerkrankungen innerhalb der Woche der höchsten Influenza-Intensität gewesen.

Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) schätzt die Grippe weitaus dramatischer ein als das viel diskutierte Coronavirus. Angesichts der wenigen Coronavirus-Fällle in Europa sei zwar weiterhin erhöhte Sorgfalt geboten, aber "keinen Grund zur Panik"“, sagte Anschober vor dem Ministerrat am Mittwoch. Immerhin gebe es in Österreich noch keine einzige bestätigte Coronavirus-Infektion.

Anschober will Impfung vorantreiben

Mit 206.000 Grippefällen in dieser Saison seien von der Grippe in Österreich "viel, viel, viel mehr" Menschen betroffen, als vom Coronavirus in ganz Europa, betonte Anschober. Trotzdem kritisierte der Gesundheitsminister, dass die "Durchimpfungsrate" bei der Grippe nur acht Prozent der Bevölkerung betrage. Anschober will daher im Zusammenhang mit dem geplanten elektronischen Impfpass auch den "Selbstschutz" durch die Grippeimpfung propagieren.

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Große Lücken bei Masern & Co

Doch auch bei anderen Krankheiten bestünden deutliche Impflücken, stellten am Mittwoch Experten bei einem Seminar des Verbandes der Österreichischen Impfstoffhersteller (ÖVIH) fest.

Das Gesundheitsministerium hat mittlerweile bereits wiederholt die Immunisierungsraten bei Kindern gegen Polio (gilt auch für Keuchhusten) sowie gegen Masern (gilt auch gegen Mumps und Röteln/MMR) analysieren lassen. Bei den Zwei- bis Fünfjährigen liegt die Durchimpfungsrate bei den Masern für die zweite Impfung derzeit bei ungefähr 82 Prozent. 95 Prozent sind auf jeden Fall notwendig, um in Österreich ausreichend Schutz gegen die gefährliche Krankheit zu erreichen und sie - wie von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) gefordert - auszurotten. Dazu müssten 47.000 Kinder in dieser Altersgruppe eine zweite Impfung erhalten, heißt es vom Gesundheitsministerium.

Die Defizite betreffen aber auch die Schulkinder. 27.000 Kinder in der Altersgruppe der Sechs- bis Neunjährigen sind laut Ministerium nicht ausreichend gegen die Masern geschützt. Die zweite Impfdosis haben nur 89 Prozent bekommen. Während die Zehn-bis 18-Jährigen in Österreich dann zu 95 Prozent geschützt sind, liegt diese Rate bei den 19- bis 30-Jährigen nur bei 70 Prozent. Das ist eine Personengruppe von rund 350.000 Menschen, die angesteckt werden können.

Normalerweise sollten alle Kinder im Rahmen des Gratis-Impfprogrammes auch die MMR-Immunisierung mit der ersten Dosis ab dem vollendeten neunten Lebensmonat erhalten, die zweite Dosis dann nach weiteren drei Monaten. Diese würde aber oft vergessen, weil mehrere Impfungen zusammenkommen, meinte der Wiener Kinderarzt Peter Voitl bei dem Seminar.  2019 gab es in Österreich 151 Masernfälle, 2018 waren es 77 gewesen, im Jahr 2015 sogar 309. Ausbrüche sind offenbar jederzeit möglich.

Lebensgefährliche Lungenentzündung

Völlig unterschätzt bei Kindern wie Erwachsenen werde die Bedeutung der Pneumokokken-Erkrankungen, die sich in potenziell lebensgefährlichen Blutvergiftungen, Gehirnhautentzündungen (Meningitis), Lungenentzündung oder Mittelohrentzündung äußern. Die meisten invasiven Erkrankungen treten bei den unter Fünfjährigen auf. Doch auch hier gibt es eine Imfpung.

Laut neuesten Zahlen wurden in Österreich bereits 611 invasive Pneumokokken-Erkrankungen registriert. Seit 2014 (323 solcher Erkrankungen) ist es damit zu einem ständigen Anstieg gekommen.

Gebärmutterhalskrebswäre verhinderbar

De facto perfekt verhütbar wären Gebärmutterhalskrebs und Probleme wie Genitalwarzen, wenn alle Kinder - wie auch im Kinderimpfprogramm vorgesehen - gegen das Humane Papilloma Virus (HPV) geschützt würden. Trotz der kostenlosen Bereitstellung der Impfung beträgt die Durchimpfungsrate bei Buben und Mädchen im Alter von neun bis zehn Jahren in Österreich derzeit nur 62 Prozent.

Auf der anderen Seite erkranken in Österreich noch immer pro Jahr rund 400 Frauen an dem durch HPV verursachten Gebärmutterhalskrebs. Bei 6.700 Frauen kommt es zu wegen Zervixkarzinom-Vorstufen zu gynäkologischen Eingriffen (Konisation). Die Zahl der Patienten mit Genitalwarzen-Diagnosen liegt pro Jahr bei rund 15.000.

(APA/red,)

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