Iraner wählen inmitten von Wirtschaftskrise neues Parlament

APA/AFP/KHAMENEI.IR/ATTA KENARE
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Eine Niederlage für die moderaten Kräfte um Präsident Rouhani wird erwartet, mehr als die Hälfte der knapp 14.500 Kandidaten wurden nicht zur Abstimmung zugelassen.

Inmitten einer schweren Wirtschaftskrise und verschärfter US-Sanktionen haben im Iran am Freitag Parlamentswahlen begonnen. Die Wahl gilt als wichtiger Stimmungstest für den moderaten Präsidenten Hassan Rouhani, der seine Parlamentsmehrheit verlieren könnte. In Folge könnten die Konservativen wieder an die Macht kommen. Die Wahllokale sollen bis 18.00 Uhr Ortszeit (15.30 Uhr MEZ) geöffnet sein.

Der von konservativen Geistlichen dominierte Wächterrat hat mehr als die Hälfte der knapp 14.500 Kandidaten nicht zur Abstimmung zugelassen, darunter vor allem die moderaten Kräfte um Rouhani. Die Bevölkerung macht ihn unter anderem für die schlechte Wirtschaftslage verantwortlich, das Land leidet massiv unter den US-Sanktionen.

Erste Wahl seit der Aufkündigung des Atomabkommen

Es ist die erste Wahl seit der Aufkündigung des Atomabkommens durch die USA im Mai 2018, für das sich Rouhani eingesetzt hatte. Besonders viele junge Anhänger des moderaten Lagers wollen aus Enttäuschung über die politische Führung gar nicht erst zur Abstimmung gehen.

Das Land befindet sich in seiner schlimmsten Wirtschaftskrise. Die nationale Währung Rial ist nur noch die Hälfte wert. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, vor allem bei qualifizierten Jugendlichen. Auch die Versöhnung mit der Außenwelt klappte nicht. Nach dem Ausstieg der Trump-Regierung aus dem Atomabkommen und den damit verbundenen neuen Sanktionen droht dem Land neben der Finanzkrise auch wieder die internationale Isolierung. Und politische Gefangene, die gibt es auch weiterhin.

Immer wieder Massenproteste

Außerdem kam es auch mit Rouhani und den Reformern an der Macht zu mehreren Massenprotesten. Mal richteten diese sich gegen die iranische Nahostpolitik - der Führung wurde vorgeworfen, weniger das Wohl des eigenen Volks als vielmehr das der Araber im Blick zu haben. Mal richteten sich die Kundgebungen gegen das obligatorische Kopftuch für Frauen. Am schlimmsten waren die Proteste im November 2019 nach der Erhöhung der Benzinpreise um fast das Dreifache. Die führte in dem ohnehin von einer Finanzkrise erschütterten Land zu noch mehr Inflation. Dabei sollen auch mehrere Demonstranten getötet und verhaftet worden sein. Noch immer will die Regierung zu der Anzahl der Toten und Verhafteten keine genauen Angaben machen.

Zu den jüngsten Protesten kam es dann im Jänner nach dem Abschuss einer ukrainischen Passagiermaschine durch das Militär - alle 176 Menschen an Bord kamen ums Leben. Der Abschuss war zwar unbeabsichtigt, aber die Iraner verurteilten Rouhani und die iranische Führung, weil sie den Vorfall drei Tage lang verheimlicht - anfangs sogar dementiert - und somit das Volk angelogen hatten.

Zu mehr Frust innerhalb der Gesellschaft führte auch die Ablehnung von Tausenden Reformern durch den für die ideologische Qualifikation der Kandidaten zuständigen Wächterrat. Die Anzahl der zugelassenen Reformer ist angeblich so klein, dass sie sogar Mühe hatten, eine Liste für ihre 30 Kandidaten in der Hauptstadt Teheran zusammenzustellen.

(APA/dpa)

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