Autoindustrie

Volkswagen steuert unsicheren Zeiten entgegen

Damit Konzernchef Herbert Diess Volkswagen in den unsicheren Zeiten auf Kurs halten kann, darf beim Start der neuen Elektroautos nichts schiefgehen
Damit Konzernchef Herbert Diess Volkswagen in den unsicheren Zeiten auf Kurs halten kann, darf beim Start der neuen Elektroautos nichts schiefgehenAFP (TOBIAS SCHWARZ)
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Inmitten von Coronakrise, Handelskonflikten und Konjunkturflaute - Volkswagen wird bei der Präsentation seiner Jahresbilanz am Freitag wohl wieder mit einem Rekordgewinn glänzen. Die Freude darüber dürfte sich aber in Grenzen halten.

Ob sich die Erfolgsserie des Autobaukonzerns Volkswagen im Generalumbau zum Anbieter umweltschonender Antriebe fortsetzen lässt, ist völlig offen. "Die Zeiten sind so unsicher wie lange nicht", sagt Jürgen Pieper vom Bankhaus Metzler. Dank des SUV-Booms sprudeln derzeit die Einnahmen. Nur so kann sich Volkswagen die hohen Investitionen in die Entwicklung neuer Technologien, in die Vernetzung und Digitalisierung überhaupt leisten. Wenn die Wolfsburger die Kundschaft aber nicht davon überzeugen können, sich Stromautos anzuschaffen, drohen saftige CO2-Strafen - und die Gewinne wären futsch.

Weltweit verkaufte Volkswagen im vergangenen Jahr knapp elf Millionen Fahrzeuge und baute so seine Stellung als weltgrößter Autobauer aus. Analysten schätzen, dass der Betriebsgewinn 2019 um fast ein Drittel gestiegen ist. Nach Daten von Refinitiv gehen die Experten im Schnitt von einem operativen Ergebnis von 17,8 (Vorjahr 13,9) Milliarden Euro aus. Das Plus fällt hoch aus, weil im Vorjahr Kosten von 3,2 Milliarden Euro für "Dieselgate" die Bilanz schmälerten.

Den Konzernumsatz kalkulieren die Experten auf rund 250 Milliarden Euro, knapp sechs Prozent mehr als 2018. Das wäre auch mehr als das Management in Aussicht gestellt hat. Von dem wahrscheinlich ebenfalls kräftig gestiegenen Reingewinn dürften auch die Aktionäre profitieren: Die Analysten rechnen mit einer Dividende von 5,94 Euro je Vorzugsaktie - das wären 1,08 Euro mehr je Anteilschein als für das vorangegangene Jahr geflossen waren. Die stimmberechtigten Stammaktionäre, darunter als größte die Familienholding Porsche SE, das Land Niedersachsen und das Emirat Katar, erhalten immer sechs Cent weniger je Aktie als die Vorzugsaktionäre.

Die Stimmung dreht

Für 2020 hielten die Branchenexperten bisher eine stabile Entwicklung für möglich. "Wir erwarten einen verhalten optimistischen Ausblick, der einen leichten Anstieg des Absatzes sowie eine Gewinnmarge in der gleichen Bandbreite wie im Vorjahr vorsieht", sagte Marc-René Tonn von Warburg Research vor wenigen Tagen. Wegen der Ausbreitung des Coronavirus außerhalb Chinas mehren sich nun allerdings Zweifel, ob VW auch dieses Jahr einen Rekord einfahren kann. "Sollte sich die Virus-Krise in den nächsten Wochen und Monaten deutlich ausweiten, könnte dies zu ernsten Lieferengpässen aber auch zu starken Kaufrückgängen führen", gibt Frank Schwope von der NordLB zu bedenken. Im Januar gingen die Auslieferungen weltweit um fünf Prozent zurück, weil das für VW wichtige Geschäft in China absackte. Im Februar könnte sich der Rückgang beschleunigt haben.

Gleichzeitig läuft vor Gerichten die Aufarbeitung des Dieselskandals weiter. Nachdem ein Vergleich mit der Verbraucherzentrale Bundesverband zur Entschädigung Hunderttausender Dieselkäufer zunächst scheiterte, wollen beide Seiten nun unter Vermittlung des Oberlandesgerichts Braunschweig eine Lösung suchen. Dadurch könnte der Prozess um die Musterfeststellungsklage gegen VW verkürzt werden. Ein anderer Zivilsenat des gleichen Gerichts verhandelt über die milliardenschweren Schadensersatzklagen von Anlegern.

Entscheidendes Jahr

Um Volkswagen in den unsicheren Zeiten auf Kurs zu halten, darf beim Start der neuen Elektroautos nichts schiefgehen. Davon hängt nicht zuletzt ab, ob der Konzern die Klimaziele erfüllen kann. Deshalb arbeiten die Ingenieure mit Hochdruck daran, die Softwareprobleme in den Griff zu bekommen, die hinter den Kulissen bereits für Unruhe sorgten. Denn der für Sommer geplante Marktstart des neuen ID.3 ist besonders prestigeträchtig. Mit ihm will VW ins Zeitalter der E-Mobilität aufbrechen. Der Wagen ebnet zugleich den Weg für den ersten E-SUV (ID.4), der im Herbst folgen soll. Für Volkswagen ist 2020 daher ein entscheidendes Jahr.

Konzernchef Herbert Diess sitzt nach Aussagen aus dem Umfeld der Familien Porsche und Piech "fest im Sattel". An seiner Strategie, den Wolfsburger Konzern zu einem Marktführer bei Elektroautos zu machen, zweifele niemand, sagte ein Insider zu Reuters. Zweifel wären in dieser Situation auch wenig hilfreich. Gewönne Volkswagen die eingegangene Wette auf die E-Mobilität nicht, hätte das fatale Folgen für das gesamte Unternehmen mit weltweit mehr als 600.000 Beschäftigten. Niemand in Wolfsburg mag sich vorstellen, dass der US-Elektroautobauer Tesla ihnen den Rang abläuft. Sollten bei den Modellanläufen aber gravierende Probleme auftauchen, wären Konsequenzen absehbar: "Dann wird es auf jeden Fall Veränderungen geben", sagt die Person mit Kenntnis der Situation. Dann könnte es auch für Diess noch eng werden.

(Reuters)

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