Russland

Der Kreml ruft Rabauken in die Parteipolitik

Im Bild: Musiker Sergej Schnurow. Im Hintergrund: Boris Titow.
Im Bild: Musiker Sergej Schnurow. Im Hintergrund: Boris Titow.(c) imago images/ITAR-TASS (Nail Fattakhov via www.imago-ima)
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Neue politische Projekte künden von den Vorbereitungen für die Duma-Wahl 2021. Ihnen ist eines gemein: Sie sollen dem Kreml weiter die Kontrolle sichern.

Moskau. Auf den ersten Blick scheint es, als habe Russland ungeahnte politische Aktivität erfasst. Kaum eine Woche vergeht, in der nicht eine neue Partei das Licht der Welt erblickt oder sich ein Prominenter einer bestehenden Kraft anschließt. Zum Beispiel der Musiker Sergej Schnurow. Auch im deutschsprachigen Raum ist er dank Wladimir Kaminers „Russendisko“-Club nicht unbekannt. Schnurow ist raustimmiger Chef der Ska-Gruppe Leningrad. Mit seinen Songs über Saufexzesse und Herumlungern war er das Vorbild einer unangepassten Jugend. Doch die Zeiten ändern sich. Verspottete Schnurow in dem Lied „Wahlen“ Kandidaten als „Schwuchteln“, ist er nun selbst Politiker. Seit Kurzem ist er Mitglied der Kreml-nahen Wirtschaftspartei „Rost“ (Wachstum). „Lasst uns Regen, Schnee und hässliche Frauen verbieten“, ulkte er über die vielen Verbote im Land.

Es mag zunächst verwundern, dass sich Parteichef Boris Titow, seines Zeichens Unternehmens-Ombudsmann des Kreml, einen machohaften Rabauken in seine Reihen geholt hat. Doch vor dem Hintergrund der nächstes Jahr stattfindenden Duma-Wahlen ergibt das Manöver Sinn. Politprominenz und mehrere Neo-Projekte sollen das Interesse der Bürger für die Entscheidung wecken. Zudem suggeriert man Pluralität: Für jede Zielgruppe soll etwas dabei sein. Während die harte Opposition von Wahlen ausgeschlossen bleibt, können mit dem Kreml abgestimmte Projekte auf Zulassung hoffen. Im Ergebnis könnten neue Miniparteien zu einer Erneuerung des Kreml-nahen Spektrums im Parlament führen, das nun von Kommunisten und Nationalliberalen dominiert wird. Scheitern die neuen Projekte an der Fünf-Prozent-Hürde, dann stärkt das die heute dominierende Kraft Einiges Russland. Wie man es auch dreht: Beides stellt den derzeitigen Machtkonsens nicht infrage. Für den Kreml ist das im Hinblick auf Putins Amtsübergabe 2024 wichtig.

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