Slowakei

Wahlsieger Matovič lässt Zweifel an EU-Kurs

Newcomer Igor Matovič katapultierte sich zum Wahlsieger.
Newcomer Igor Matovič katapultierte sich zum Wahlsieger.(c) APA/AFP/VLADIMIR SIMICEK
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Erdrutschsieg der Protest-Plattform Olano. Die regierenden Sozialdemokraten sind abgestürzt.

Bratislava. Die Parlamentswahl in der Slowakei am Samstag hat einen Erdrutschsieg für die Opposition gebracht. Die von dem Unternehmer Igor Matovič geführte Protest-Plattform Olano gewann mit 25 Prozent der Stimmen überraschend klar. Die bisher regierenden Sozialdemokraten von Regierungschef Peter Pellegrini stürzten als Zweitplatzierte auf 18,3 Prozent ab und verloren damit zehn Prozentpunkte gegenüber der Wahl 2016. Ihre bisherigen Koalitionspartner, die rechtspopulistische Nationalpartei SNS und die vor allem von der ungarischen Minderheit gewählte Partei Most-Hid (Brücke), verfehlten die Fünfprozenthürde.

Deutlich unter ihren Umfragewerten blieb die rechtsextreme Volkspartei Unsere Slowakei LSNS, mit der von vornherein alle anderen Parteien eine Koalition ausgeschlossen hatten. Mit acht Prozent blieb die wegen Rassismus und der Verharmlosung des Holocaust am Rande der Legalität agierende Partei auf dem gleichen Niveau wie vor vier Jahren, als sie überraschend zum ersten Mal ins slowakische Parlament einzog. Knapp vor ihr platzierte sich die andere fremdenfeindliche Partei unter dem Namen Wir sind Familie.

Kampf gegen Korruption als Trumpf

Der 46 Jahre alte Wahlsieger Matovič hatte den Kampf gegen die Korruption auf die Fahnen geschrieben und holte viele Frustrierte aus dem Nichtwählerlager. Am Sonntag kündigte er an, mit allen bisherigen Oppositionsparteien außer den Rechtsextremisten Koalitionsverhandlungen zu führen, um eine breite Mehrheit gegen die von ihm als korrupt kritisierten Sozialdemokraten zustande zu bringen.

Die von Matovič gegründete Olano ist keine Partei im klassischen Sinn, sondern eine Wahlplattform für überwiegend konservative Kräfte, die allein nicht stark genug für die Gründung einer eigenen Partei wären. Das Kürzel steht übersetzt für „Gewöhnliche Menschen und unabhängige Persönlichkeiten“. Nicht zufällig nominierte Matovič als Nummer eins seiner Kandidatenliste eine politisch bisher unbekannte Lehrerin aus der Ostslowakei und sich selbst an letzter Stelle – in der Erwartung, dass er dank der insgesamt fast einer halben Million Vorzugsstimmen trotzdem den Einzug ins Parlament schaffen werde. Das von Matovič seit mehreren Wahlgängen praktizierte Modell wurde aber wie schon bisher besonders von ultrakonservativen Kräften genutzt, die dank ihrer Kandidatur auf der Olano-Liste ihre Ablehnung der nach ihrer Meinung von EU und Europarat diktierten „Gender-Ideologie“ im Parlament durchsetzen wollen.

Rosenkranz gegen „Teufelswerk“

Schon die bisherige Regierung hatte unter dem Druck konservativer Kräfte die sogenannte Istanbul-Konvention des Europarats zur Vermeidung von Gewalt gegen Frauen ebenso wie eine Liberalisierung der Rechte von Homosexuellen abgelehnt. Jene katholischen Initiativen, die sich in den vergangenen Monaten zu Rosenkranzgebeten gegen das „Teufelswerk“ Istanbul-Konvention vor Regierungsgebäuden sammelten und zuvor unter anderem eine (an zu geringer Beteiligung gescheiterte) Volksbefragung zur Verhinderung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften initiierten, hatten zuletzt immer offener mit Rechtsextremisten sympathisiert. Weil es dem Image der katholischen Kirche aber schadete, dass viele Pfarrer noch bei der Wahl vor vier Jahren offen die rechtsextreme LSNS unterstützten, untersagte die katholische Bischofskonferenz diesmal eine offene Parteinahme.

Das kam offenbar der Olano-Liste zugute. Stärkster Wählermagnet der Olano war aber nach Ansicht aller slowakischen Medienkommentatoren Matovič selbst. Mit provokanten Aktionen gewann er viel Aufmerksamkeit. So reiste er nach Cannes zur Villa eines Ex-Finanzministers der Sozialdemokraten. Er klebte ein Schild „Eigentum der slowakischen Republik“ an das Haus und postete das Video im Internet.

Die Niederlage der Sozialdemokraten war nach dem Mord am Investigativjournalisten Ján Kuciak und seiner Verlobten, Martina Kušnírová im Februar 2018 programmiert. Sie hatten korrupte Netzwerke enthüllt. Auch wenn diese Netzwerke schon unter früheren bürgerlichen Regierungen entstanden, seien vor allem die inzwischen schon seit über zehn Jahren regierenden Sozialdemokraten dafür verantwortlich gemacht worden, erklärte der Meinungsforscher Pavel Haulik gegenüber der „Presse“. Er fürchtet, dass die Slowakei künftig in ihrer Europapolitik weniger berechenbar werde. Denn innerhalb der Olano dominieren europaskeptischere Kräfte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.03.2020)

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