Missbrauchs-Vorwürfe

Kardinal Pell kommt nach 404 Tagen Haft frei

Kardinal Pell kann das Gefängnis verlassen.
Kardinal Pell kann das Gefängnis verlassen.APA/AFP/WILLIAM WEST
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Das Höchstgericht sprach den 78-jährigen, ehemaligen Finanzchef des Vatikans vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs frei: Es äußerte Zweifel, dass die Übergriffe gegen Buben in den 1990er-Jahren stattgefunden haben.

Es war ein Fall, der seit Jahren in und außerhalb der katholischen Kirche für Aufsehen gesorgt hatte. Nun endet die Causa mit einer Überraschung: Das höchste Gericht Australiens hat Kardinal George Pell vom Vorwurf des Kindesmissbrauchs freigesprochen. Der Ex-Finanzchef des Vatikans war 2018 zunächst schuldig gesprochen und zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Pell hatte berufen. Noch am Dienstag durfte er das Gefängnis verlassen. Er selbst sagte, eine „schwere Ungerechtigkeit“ sei nun behoben worden.

Das Gericht in Brisbane hob seine Verurteilung mit folgender Begründung auf: Es bestehe eine „vernünftige Möglichkeit“, dass die Straftat nicht stattgefunden habe. Pell – einst der drittmächtigste Mann der katholischen Kirche – schrieb in einer Erklärung nach dem Freispruch, er hege keinen Groll gegenüber dem, der ihn beschuldigt hatte.
Ursprünglich war der Kardinal im Dezember 2018 von einem Gericht in Melbourne wegen Kindesmissbrauchs in fünf Anklagepunkten schuldig gesprochen worden. Der Vorwurf lautete, er habe zwischen Dezember 1996 und Anfang 1997 zwei 13-jährige Chorknaben in der St. Patrick's Kathedrale in Melbourne sexuell missbraucht. Pell soll die beiden Buben nach der sonntäglichen Messe in der Sakristei beim Weinstehlen erwischt und missbraucht haben.

Einige Monate später habe er einen der Buben nochmals sexuell belästigt. Die Anwälte Pells argumentierten, dass es nach dem Gottesdienst unmöglich gewesen sei, dass er mehrere Minuten mit zwei Chorknaben alleine in der Sakristei verbringen hätte können.

Der Schuldspruch 2018 konnte wegen einer Nachrichtensperre nicht berichtet werden. Das Gericht verhängte die Sperre, da noch ein zweites Verfahren gegen den Kardinal anstand, das später jedoch eingestellt wurde. Theoretisch hätte die Maximalstrafe nach dem Schuldspruch 50 Jahre betragen, doch Alter und Gesundheitszustand des 78-Jährigen wirkten strafmildernd.

Zweites angebliches Opfer äußerste sich nie

Im März 2019 war das Strafmaß dann auf sechs Jahre Haft festgelegt worden, von denen er bei guter Führung nur knapp vier Jahre hätte absitzen müssen. Pell jedoch ging nach dem Urteil sofort in Berufung; ein erster Antrag war im Vorjahr noch abgelehnt worden. Damals hatten Pells Anwälte versucht zu argumentieren, dass die Geschworenen sich zu stark auf „unbestätigte Beweise“ des einzigen überlebenden Opfers gestützt hätten. Das zweite Opfer war 2014 an einer Überdosis Heroin gestorben und hatte sich niemals zu dem Missbrauchsvorwurf geäußert.

Die damalige Richterin betonte jedoch, das Opfer sei überzeugend gewesen, „eindeutig kein Lügner, kein Fantast und ein Zeuge der Wahrheit“ sei. Zum Zeitpunkt des behaupteten Übergriffs vertrauten sich die Burschen niemandem an, da sie fürchteten, ein Stipendium zu verlieren. Doch das neue Urteil des australischen Höchstgerichts hob den Schuldspruch Pells nun endgültig auf. Nach 404 Tagen im Gefängnis ist er wieder auf freiem Fuß.

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