Leitartikel

Die Coronakrise geht, der Klimawandel bleibt

Ein außer Kontrolle geratener Klimawandel bringt nach wie vor große Gefahren mit sich.
Ein außer Kontrolle geratener Klimawandel bringt nach wie vor große Gefahren mit sich.imago images/Jan Eifert
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Nach der gesundheitlichen Genesung wird es darum gehen, die Wirtschaft global wieder voranzutreiben. Da besteht die Gefahr, das Klima zu übersehen.

Sie sind inzwischen schon so etwas wie das Symbol für die Erholung der Umwelt während der Coronakrise: die Kanäle von Venedig. Anstatt einer braungrünen Suppe ist das Wasser seit einigen Wochen kristallklar. Von der Rialtobrücke aus können plötzlich Fische beobachtet werden, weil der Massentourismus samt überdimensionierter Kreuzfahrtschiffe ausbleibt. Auch in Österreich kann seit Mitte März ein Anblick bestaunt werden, den es das letzte Mal in den 1980er-Jahren gab: Wer derzeit seinen Blick nach oben wendet, sieht meist einen strahlend blauen Himmel – und sonst nichts. Kein einziger Kondensstreifen von Horizont bis Horizont.
Diese alltäglichen Beobachtungen schlagen sich auch in den Zahlen nieder. Weltweit könnte der CO2-Ausstoß heuer um fünf Prozent sinken, schätzen Experten. Einen Rückgang bei den Kohlendioxid-Emissionen hat es in den vergangenen 30 Jahren erst ein einziges Mal gegeben: in der Finanzkrise im Jahr 2009. Damals war die Reduktion jedoch weniger als halb so stark.

Zynisch könnte man nun sagen, dass wir große Wirtschaftskrisen brauchen, um unsere Klimaziele zu erreichen. Szenarien ähnlich dem derzeitigen Ausnahmezustand infolge des Corona-Lockdowns werden von radikalen Vertretern aus der professionellen Klimaschutz-Szene ja auch regelmäßig gefordert. Die Realität zeigt nun aber hoffentlich jedem, dass dies keine Lösung ist. Denn das Herunterfahren der Wirtschaft verursacht massive soziale Kosten, wie den noch nie zuvor gesehenen Anstieg der Arbeitslosigkeit um mehr als 50 Prozent im März. Und diese Entwicklung wird sich in den kommenden Monaten noch verschärfen. Denn auch wenn sich in Europa die Lage im Laufe des Mai beruhigt, wird die Weltwirtschaft von den Problemen in den USA noch länger in Atem gehalten werden.
Nach Überwindung der akuten gesundheitlichen Probleme wird es also einmal darum gehen, die globale Wirtschaft wieder hochzufahren. Und das ist durchaus eine heikle Phase. Denn wie bei allen großen Krisen zuvor sorgt auch das Coronavirus dafür, dass die Karten im internationalen Wettbewerb zumindest zum Teil neu gemischt werden. So kann etwa China das nun früher erfolgende Anlaufen seiner Wirtschaft dazu nutzen, sich in Technologiebereichen Marktanteile zu sichern, während die Konkurrenz in Europa oder den USA stillsteht.
Andererseits wird die globale Arbeitsteilung samt komplexer Lieferketten wegen ihrer Anfälligkeit im Krisenfall zunehmend hinterfragt. Gibt es hier politischen Einfluss – etwa in Form von dauerhaft verschärften Grenzkontrollen –, wird das auch das Gesicht der globalisierten Wirtschaft verändern.

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