Online-Theater

Die Genossen vor der Webcam

So ausgeklügelt kann man Videokonferenzen inszenieren: „Der Kreisky-Test“ zieht das Publikum in ein schräges sozialistisches Experiment.
So ausgeklügelt kann man Videokonferenzen inszenieren: „Der Kreisky-Test“ zieht das Publikum in ein schräges sozialistisches Experiment.(c) Rita Brandneulinger
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Die Truppe Nesterval, bekannt für raffinierte Publikumsabenteuer, hat ihre jüngste Produktion als Zoom-Videokonferenz adaptiert. Kann das funktionieren?

Valerie hebt die Faust und blickt siegessicher in die Runde: „Freundschaft!“ Seit zehn Wochen sei sie hier und werde ans psychische und physische Limit getrieben. Doch die Strapazen nimmt sie gern in Kauf. Nur die Besten sollen auserwählt werden, um im Untergrund die Werte der Sozialdemokratie für die Nachwelt zu bewahren! Valerie (Laura Hermann) zählt sich definitiv zu den Besten. Über die Augen hat sie sich einen roten Balken geschminkt. Vor einer grauen Wand erzählt sie nun von ihrer Kindheit im Gemeindebau und von ihrem Onkel Rainer, der bei einer SPÖ-Weihnachtsfeier von einem Geist beseelt worden sei. Plötzlich erklingt eine sonore Männerstimme, Valerie blickt erschrocken gen Himmel. Die Stimme sagt: „Phase eins ist vorbei, Sie werden nun den nächsten Kandidaten kennenlernen. Stellen Sie sicher, dass Sie noch in der Galerieansicht sind.“

Das digitale Setting ist wohl den meisten Besuchern dieser Theaterperformance, „Der Kreisky-Test“, bekannt: Die Kacheln auf dem Bildschirm, die Webcam-Perspektive, die Zimmerpflanzen und Bücherwände im Hintergrund der Teilnehmer kennt man aus Videokonferenzen, selbst im TV hat sich das Bild etabliert und lässt die Zeiten ersehnen, in denen „echte“, unverpixelte Begegnungen wieder möglich sein werden. Bis dahin kann man von Nesterval lernen, wie raffiniert sich das so leidige Videokonferenzformat einsetzen lässt: Die Wiener Truppe, die für Produktionen zwischen (Impro-)Theater und Rätselspiel bekannt ist, in denen das Publikum Räume erkundet und ins Geschehen hineingezogen wird („immersiv“ lautet das Zauberwort), hat ihre jüngste Uraufführung kurzfristig zu einem digitalen Abenteuer umgebaut. Das Publikum steigt über das Programm Zoom ein, wird durch virtuelle Räume gelotst und in Gespräche mit Schauspielern in unterschiedlichen Konstellationen verwickelt, als Zeuge und Akteur zugleich.

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