Inklusion

Sprachprofis unterstützen Gehörlose

Gebärdensprachenn-Dolmetscher erleichtern Gehörlosen auch die Aus- und Weiterbildung.
Gebärdensprachenn-Dolmetscher erleichtern Gehörlosen auch die Aus- und Weiterbildung.Getty Images
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In Österreich gibt es noch relativ wenige Ausbildungen für Gebärdensprachdolmetscher. Ab Herbst soll ein neues Bachelorstudium in Innsbruck starten.

Laut Statistik ist rund ein Promille der österreichischen Bevölkerung gehörlos. Dazu kommen zahlreiche hochgradig schwerhörige Personen. Sie alle sind mehrheitlich auf Leistungen von Gebärdensprachdolmetschern angewiesen, um überhaupt an der Gesellschaft teilnehmen zu können. Bedarf an zusätzlichen Dolmetschern in Österreichischer Gebärdensprache (ÖGS) besteht daher speziell im Kommunalbereich, aber auch in Schulen, wie vor einigen Jahren durch eine IHS-Studie erhoben wurde.

Der relativ hohe Bedarf an ÖGS-Dolmetschern sei durch deren besonders vielfältiges Tätigkeitsfeld zu erklären, sagt Gebärdensprachdolmetscherin Elisabeth Greil. „Sie arbeiten im Alltag der Gehörlosen. Sie begleiten gehörlose Menschen zum Arzt, dolmetschen aber auch bei Schulungen am Arbeitsplatz oder in Ausbildungen. Und sie unterstützen Gehörlose in der Freizeit und im Familienleben, zum Beispiel bei Hochzeiten, Taufen und Familienfesten, oder bei Vorträgen.“ Greil ist die designierte Studiengangsleiterin eines neuen sechssemestrigen Bachelorstudiums, das ab Herbst an der Fachhochschule Gesundheit Tirol starten wird (vorbehaltlich der Akkreditierung durch AQ Austria).

Studium auch an FH

Bisher war das einzige reguläre Studium auf diesem Gebiet das Bachelor- und Masterstudium der Universität Graz, das dort seit 2002 am Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft (Itat) besteht. Das neue Innsbrucker Studium „Gebärdendolmetschen“ soll das erste Ausbildungsprogramm an einer österreichischen Fachhochschule werden. „Wir haben damit der Aufforderung des Europäischen Parlaments Folge geleistet, das bereits im Herbst 2016 die Mitgliedstaaten aufrief, Gebärdensprachdolmetscher mindestens auf Bachelorniveau auszubilden“, sagt Elisabeth Greil. In Innsbruck sollen Studierende, beginnend mit dem ÖGS-Sprachniveau A1, durch das Studium bis zum Sprachniveau B2 geführt und auf Einsätze in den genannten Arbeitsfeldern vorbereitet werden.

Auch ein konsekutives Masterstudium ist bereits angedacht. Es soll unter anderem die im Bachelorstudium noch ausgesparten Bereiche Konferenzdolmetschen und Gerichtsdolmetschen beinhalten.

Kooperation mit Uni Graz

Schon derzeit wird an der Fachhochschule in Innsbruck mit dem Grazer Institut für Theoretische und Angewandte Translationswissenschaft zusammengearbeitet. Dessen Lektoren werden teilweise auch an der FHG in Tirol unterrichten. Die Professorin und stellvertretende Leiterin des Itat, Nadja Grbić, unterstützte zudem das Entwicklungsteam des Innsbrucker Studiengangs.

Das Grazer Bachelorstudium „Transkulturelle Kommunikation“, in dem ÖGS so wie jede andere Sprache gewählt werden kann und bei Studienbeginn auf Kompetenzniveau A2 beherrscht werden muss, bildet die Grundlage für eine weitere Ausbildung zum Übersetzer oder Dolmetscher. „Vermittelt werden vertiefte Kenntnisse der Muttersprache sowie der gewählten Fremdsprache(n), Gehörlosenkultur, Basiskompetenzen im Bereich Übersetzen und Dolmetschen und translationswissenschaftliche Grundkenntnisse“, sagt Nadja Grbić.

Das Masterstudium „Übersetzen und Dialogdolmetschen“ umfasse Einführungen in das Übersetzen und Dolmetschen, Übersetzungs- und Dolmetschmodule in unterschiedlichen Themenbereichen, Berufsethik, Rede- und Sprechtechnik, translationswissenschaftliche Vorlesungen und Seminare und das Verfassen einer Masterarbeit.

Gehörlose Gebärdensprachbenutzer könnten allerdings nicht am Grazer Studium teilnehmen, sagt der Linguist Christian Stalzer, der selbst als gehörloser Lektor am Itat ÖGS und ÖGS-Übersetzen lehrt. „ÖGS wird im Curriculum gleich behandelt wie andere Sprachen auch.“

Keine Sonderbehandlung

Studierende mit der Sprachkombination ÖGS (als Muttersprache) und Deutsch (als lautsprachliche Fremdsprache) müssten also uneingeschränkt in beide Richtungen schriftlich wie mündlich arbeiten können. „Das ist für Gehörlose faktisch nicht möglich“, erklärt Stalzer. Trotzdem sei der Grazer integrative Ansatz, ÖGS genauso wie andere Sprachen und ohne Ausnahmebehandlung in das Curriculum zu implementieren, ein großer Vorteil, sagt Karin Hofstätter, ebenfalls ÖGS-Expertin am Itat. „Außerdem bringt die Möglichkeit, eine zweite Fremdsprache, etwa Lautsprachen wie Englisch oder Spanisch, in Kombination zu studieren, Vorteile für das weitere Berufsleben.“

Gehörlose mit in Ausbildung

Gemeinsam ausgebildet werden gehörlose und hörende Studierende hingegen in dem zweijährigen Universitätslehrgang „Modus-Salzburg“, der 2022 zum nächsten Mal starten wird. Der Universitätslehrgang für „Dolmetschen und Übersetzen für Österreichische Gebärdensprache, Deutsch und International Sign Modus“ gilt aufgrund seines inklusiven Ansatzes als in Österreich einzigartig, und auch europaweit findenden sich wenig ähnliche Weiterbildungsangebote.

Kein Studium, aber eine ebenso sechssemestrige Vollzeitausbildung, ist das Projekt Gesdo, das vom Sozialressort des Landes Oberösterreich finanziert wird. Diese Ausbildung sei sehr praktisch orientiert, sagt Gesdo-Sprecherin Stefanie Gunesch. „Wir arbeiten sehr eng mit der Gehörlosencommunity zusammen – unser Rechtsträger ist auch der Gehörlosenverband Oberösterreich.“

Der Lehrgang wird für oberösterreichische Teilnehmer aus Mitteln des Sozialressorts des Landes Oberösterreich finanziert und soll zum nächsten Mal im Oktober dieses Jahres starten. Die Termine für das Aufnahmeverfahren wurden wegen der Coronakrise verschoben und sollen nun Ende Mai stattfinden.

Web:www.fhg-tirol.ac.at, www.translationswissenschaft.uni-graz.at, www.modus-salzburg.at,www.gesdo.at

INFORMATION

Visuell-gestische Sprachen haben sich wie gesprochene Sprachen entwickelt. Es gibt also verschiedene Gebärdensprachen und -dialekte. International verständigen sich Gehörlose in American Sign Language (ASL), British Sign Language (BSL) oder der International Sign Language, dem „Esperanto der Gehörlosen“. In Österreich wird die österreichische Gebärdensprache ÖSG gesprochen, die als nicht-ethnische autochthone Minderheitensprache in der Verfassung verankert ist.www.oeglb.at/gebaerdensprache

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.04.2020)

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