Zynische Perversion einer Schutzzone

Das Srebrenica-Massaker von 1995 ist nicht nur in Ex-Jugoslawien eine offene Wunde. Auch das Versagen des Westens bleibt ungesühnt.

Das Massaker in der bosnischen Stadt Srebrenica vor 15 Jahren ist noch lange nicht Geschichte. Das wurde auch bei den gestrigen Gedenkveranstaltungen wieder deutlich – auch wenn der serbische Präsident anwesend war. Das Eingeständnis der Bluttat, auch durch die bosnisch-serbische Republika Srpska, ist ein wichtiger Anfang, aber die Konsequenzen sind bisher dürftig.

Schöne Reden ohne Taten kennzeichnen aber auch die europäischen Mächte, die 1995 grob fahrlässig gehandelt haben: Die Einrichtung einer UN-„Schutzzone“ in Srebrenica ohne ausreichende militärische Bedeckung und ohne den Willen der Herkunftsländer, ihre UNO-Soldaten im Ernstfall auch als solche einzusetzen, war eine Schandtat sondergleichen. Verantwortung dafür hat eigentlich niemand übernommen, wenn man von einem eher halbherzigen Rücktritt des niederländischen Ministerpräsidenten Wim Kok absieht, der 2002 nach einem kritischen Bericht über holländische Blauhelme das Handtuch geworfen hat – einen Monat vor den Wahlen und einige Monate nachdem er ohnehin seinen Abschied aus der Politik angekündigt hat.

Das jämmerliche Versagen der UN-Mission hat zwar Untersuchungsberichte nach sich gezogen, aber auch nicht das politische Erdbeben verursacht, das dem Ereignis einzig angemessen gewesen wäre. Geblieben ist der Hang europäischer Politiker, in den Krieg zu gehen, ohne sich, den Wählern und den Soldaten das auch einzugestehen. (Bericht: S. 3)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.07.2010)

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