Pferd, Zopf, Sumpf: Über Münchhausen

Sieg über die Naturgesetze. Skulptur in Holzminden, Niedersachsen.
Sieg über die Naturgesetze. Skulptur in Holzminden, Niedersachsen. Gonzalo Azumendi / laif / picturedesk
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Vor 300 Jahren wurde Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen geboren. In Zeiten von Fake News und Verschwörungstheorien idealer Anlass, über unser Verhältnis zur Wahrheit nachzudenken. Von Selbstinszenierungsgeschick als Schlüsselqualifikation.

Die Welt ist aus den Fugen. Es herrschen Krieg, Chaos, Ungleichheit und Ausbeutung, extreme Wetterwechsel; doch der wahre Held findet in jeder Lebenslage eine Lösung und für alles eine Erklärung. Und zieht sich – samt Pferd, das auch sonst viel durchzumachen hat – am eigenen Zopf aus dem tiefsten Sumpf.

Nach allem, also dem wenigen, was von Hieronymus Carl Friedrich von Münchhausen verbürgt ist, der am 11. Mai 1720 zur Welt kam, war er im wirklichen Leben kein großer Held. Ein Landadeliger, der zunächst als Page eines an den Zarinnenhof verheirateten Braunschweiger Prinzen und einige Jahre als Offizier in der russischen Armee diente und sich anschließend auf sein Gut im niedersächsischen Bodenwerder zurückzog. Bemerkenswert an seiner Biografie sind allenfalls die langwierigen Erbstreitigkeiten mit einem seiner Brüder, seine spektakulär scheiternde zweite Ehe mit einer mehr als fünfzig Jahre jüngeren Frau sowie eine Neigung zu überdurchschnittlich dreister Prahlerei mit seinen Auslandserfahrungen und Jagderfolgen. Und dass er erleben musste, wie eine literarische Figur seines Namens so rasant an Popularität gewann, dass er sein Ansehen, auch seine Glaubwürdigkeit im Scheidungsprozess gefährdet sah.

Die ersten „Münchhausen“-Geschichten wurden anonym publiziert. 1781 erschien eine Sammlung pointierter Anekdoten in einem Almanach, 1785 kam in London ein schmaler Band auf Englisch heraus, „Baron Munchausen's Narrative of his Marvellous Travels and Campaigns in Russia“, dem bereits ein knappes Jahr später eine bearbeitete und erweiterte deutsche Ausgabe folgte. Danach gab es kaum noch ein Halten. Neuauflagen, Übersetzungen, Kinderbuchfassungen und immer wieder Ergänzungsbände: Fast alles, was in der Weltliteratur seit der Antike an Lügengeschichten kursiert, wurde als Münchhausiade recycelt.

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