Der Vorschlag der EU-Kommission, beim Corona-Wiederaufbau neue Geldquellen anzuzapfen, könnte den Riss zwischen Deutschland und Italien kitten.
Es gibt Floskeln, die man als halbwegs aufmerksamer Beobachter des Tagesgeschehens schlicht und ergreifend nicht mehr hören kann. Ganz vorn in dieser Hitparade der untoten Wortgerippe befindet sich die „Krise als Chance“ – ein Zombie, der immer dann aus der politischen Geisterbahn gezerrt wird, wenn nichts weiterzugehen scheint in Europa. Diese unter akuter Materialermüdung leidende Binsenweisheit wird verräumt, wenn sich die Lage halbwegs normalisiert hat und man in der Europäischen Union wieder zum Tagesgeschäft übergehen kann.
Doch in Zeiten von Corona trifft die müde Worthülse das Ziel. So paradox es auch klingen mag: Die Pandemie, die mit Ausnahme der Forschungsstationen am Nord- und Südpol keinen Flecken der Erde verschont hat, bietet die Gelegenheit dazu, die sich seit gut zehn Jahren in einer Schieflage befindliche EU wieder ein Stück aufzurichten. Warum? Weil es eine Rückkehr zum Tagesgeschäft nicht so bald geben wird – wenn überhaupt. Denn die Seuche treibt dieses ohnehin marode Tagesgeschäft geradewegs in die Insolvenz.