Geschmacksfrage

Testessen im Sperling im Augarten

Christine Pichler
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Der Augarten hat ein wunderbares Restaurant bekommen, in dem es streng genommen keine Beilagen gibt.

Zu den vielen amüsant-peinlichen Momenten im Leben gesellte sich zuletzt einer in Gestalt des Eigentümers und Geschäftsführers der Tageszeitung „Der Standard“. Ich wollte das gemeinsame Abendessen für diese Lokalkritik nutzen und bemerkte erst beim Eintreffen im Sperling, dass ich meine Brieftasche liegen hatte lassen. Sie ahnen, worauf ich hinauswill, die Transparenz und alle ­Compliance-Regeln erfordern folgendes Geständnis: Die Rechnung für das an dieser Stelle beschriebene Lokal ging auf Kosten des Kollegen von der Konkurrenz. Es blieb an diesem Abend nicht bei einer Merkwürdigkeit: Als Tester ist es nämlich unmöglich, das Social Distancing aufrechtzuerhalten. Ich koste immer von den anderen Tellern. Und weiter: Wie soll man eigentlich Restaurantchef, Koch und Kellner hinter den Masken erkennen? Zumal die Gruppe im Sperling wirklich aus alten Bekannten besteht: Andreas Sael und Aurelio Nitsche haben schon viele Lokale gesehen und eröffnet, unter anderen das Hill in Sievering. Nun führen sie das optische Schmuckstück im Augarten, das wirklich empfehlenswert ist. (Darf man in der Post-Coronazeit eigentlich noch Lokale kritisieren? Ja, aber noch besser, man schreibt nur über halbwegs vernünftige.) Mit den Park-Restaurants war es lang wie mit den Hotelgaststätten: Die Wiener trauten ihnen nicht. Seit sie aber ihren Großstädter gemacht haben, verstehen sie, dass auch ein Lokal im Park nicht nur Kaffee und Kuchen serviert.

Christine Pichler

Danke auch an die Familie Reitbauer. Jedenfalls werden hier schnörkellose Gerichte gereicht, die ohne Beilagen pur serviert werden. Allein das ist schon dankenswert. Wenn dann noch eine zart gebackene Forelle aufgetragen wird, verdient das donnernden Applaus – ebenso wie ein unvergleichbarer oben knuspriger, unten mürber Schweinebauch. Die Roten Rüben fallen so fein säuerlich-aromatisch aus, dass sich die lokalen Grünen sicher auch ohne Fahrrad in Kopenhagen wähnen. Wie die Küche überhaupt Gemüse kann und mag, Austernpilze schmecken ebenso leicht wie geschmort. Dass man die Melanzani auf der Karte übrigens Eierfrucht und im Untertitel Aubergine nennen muss, erzürnt nicht nur den sonst hier auch zufriedenen Wiener Tourismusdirektor. Ich knabbere noch ein wenig an der glasig gebratenen Hühnerbrust und überlege, im Augarten zu campieren. Dafür brauche ich auch kein Geld. Das nächste Mal zahle ich dann wieder. 

Info

Sperling im Augarten, Obere Augartenstraße 1, 1020 Wien, Tel.: +43/(0)1/997 72 66, Restaurant: Mo–Sa: 9–22 Uhr, So: 9–18 Uhr.

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("Die Presse - Schaufenster", Print-Ausgabe, 13.03.2020)

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