USA

Schwere Unruhen in den USA

Fragwürdige Rache für Rayshard Brooks: Demonstranten zündeten ein Restaurant in Atlanta an.
Fragwürdige Rache für Rayshard Brooks: Demonstranten zündeten ein Restaurant in Atlanta an.(c) REUTERS (ELIJAH NOUVELAGE)
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Unzählige Proteste und Krawalle trübten nach dem Tod eines Afroamerikaners in Atlanta durch Polizeischüsse das Wochenende. Der Schaden lag wie so oft bei Dritten.

Washington/Atlanta/Wien. Seinen 74. Geburtstag am Sonntag hatte sich Donald Trump anders ausgemalt: Entspannung bei einer Golfrunde in seinem Klub samt kleiner Party statt einer Konfrontation mit der neu angefachten Debatte über Polizeigewalt und Rassismus. Ein neues Video über die Tötung eines Afroamerikaners durch einen Polizisten in der demokratischen Hochburg Atlanta, die Blockade des Highway 75, Krawalle und Flammen, die in den Nachthimmel der Hauptstadt von Georgia schlugen – das waren Bilder, die am Sonntag aus den USA um die Welt gingen.

Dabei hatte der Präsident das Wochenende von langer Hand geplant. Am Samstag hatte er eine Rede vor der Abschlussklasse in West Point angesetzt, der Militärakademie, die wie eine Festung über dem Hudson River im Staat New York thront. Nach Schließung der Militär-Uni infolge der Coronakrise im März sahen sich die 1100 Absolventen zur Rückkehr und 14-tägigen Quarantäne gezwungen. In Reih und Glied saßen die Kadetten mit Sicherheitsabstand auf dem Campus, am Ende der Zeremonie warfen sie ihre weißen Kappen in die Luft.

Der Oberbefehlshaber würdigte den Einsatz der Nationalgarde und pries die Verdienste der Streitkräfte: „Was Amerika historisch einzigartig gemacht hat, ist die Beständigkeit seiner Institutionen gegen die Leidenschaften und Vorurteile des Augenblicks.“ Ohne Details für Abzugspläne zu nennen, erneuerte er sein Versprechen: „Wir beenden die Ära der endlosen Kriege.“

Handgemenge nach Alkoholtest

Auf die landesweiten Demos und die Kritik von Ex-Generälen an seiner Amtsführung ging er nicht näher ein. Trump betonte freilich die „schreckliche Ungerechtigkeit der Rassentrennung“ und das „Übel der Sklaverei“. Kurz zuvor hatten sich Proteste in Atlanta entzündet, einer Metropole der afroamerikanischen Kultur, Wirkstätte von Martin Luther King und Zentrale von CNN. In der Nacht auf Samstag war Rayshard Brooks (27) vor einem Lokal der Burgerkette Wendy's im Auto eingeschlafen, er blockierte den Drive-Through. Die herbeigerufene Polizei ordnete einen Alkotest an. In einem Handgemenge entzog sich Brooks der Festnahme, entwand einem der beiden Polizisten einen Elektroschocker und rannte weg. Nach wenigen Metern war die Flucht auf dem Parkplatz, auf Kameras festgehalten, zu Ende.

Wahlkampf-Comeback verschoben

Brooks hatte mit dem Elektroschocker auf einen der Polizisten gezielt, der zog eine Waffe und streckte den Afroamerikaner mit mehreren Schüssen nieder. Brooks starb im Spital. Daraufhin flammten Proteste und Krawalle in Atlanta auf, ein Mob brannte das Restaurant nieder und blockierte Straßen. Polizeichefin Erika Shields trat zurück. Keisha Lance Bottoms, die afroamerikanische Bürgermeisterin und potenzielle Vizepräsidentschaftskandidatin der Demokraten, ordnete die Entlassung des Todesschützen an.

Die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Demonstrationen und Gewalt dürfte sich somit zerschlagen, die Forderung nach einer Polizeireform weitere Dringlichkeit erhalten haben. Dabei hatte sich der Präsident zuletzt um Entspannung bemüht. Nach internem Druck verschob er sein Wahlkampf-Comeback diese Woche in Tulsa (Oklahoma) um einen Tag. Der ursprüngliche Termin, 19. Juni, markiert als „Juneteenth“ den Gedenktag für das Ende der Sklaverei in Texas 1865 und das größte Massaker an Afroamerikanern seit Ende des Bürgerkriegs 1921, eben in Tulsa. Kamala Harris, weitere mögliche Vizepräsidentschaftskandidatin, hatte Trump vorgeworfen, weißen Rassisten eine „Willkommensparty“ zu schmeißen.

200.000 Fans hätten Interesse zur Teilnahme bekundet, brüstete sich Trump. Und negiert, wie die Demonstranten, die Coronagefahr. In der erhitzten Stimmung könnte Tulsa Gegendemonstrationen anziehen, so wie im August auch Jacksonville in Florida, die neue Kulisse für den Parteitag der Republikaner. „Zuerst müssen wir das Weiße Haus reinigen“, lautet derweil die Parole, die jüngst ein pensionierter Pastor beim Begräbnis des Polizeiopfers George Floyd ausgab.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.06.2020)

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