Sozialhilfe

Massiver Anstieg bei Wiener Mindestsicherung erwartet

Die Presse/Fabry
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Im Jahr 2019 ging die Zahl der Bezieher von Mindestsicherung in Wien zurück. Die Krise dürfte die Situation aber wieder verschärfen.

In Wien haben 2019 insgesamt 135.698 Personen Mindestsicherung bezogen. Das ist ein Rückgang um 5 Prozent. Auch die Ausgaben für die Mindestsicherung waren geringer als im Jahr davor. Dieser Trend wird sich heuer aber nicht fortsetzen: Wie Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) in einer Pressekonferenz betonte, ist angesichts der Coronakrise für 2020 ein "dramatischer" Anstieg zu erwarten.

"Die augenblickliche Situation macht Sorge", sagte Hacker. Obwohl die Krise am Arbeitsmarkt sich mit einer gewissen Verzögerung bei der Mindestsicherung abbildet, wie er erläuterte, ist laut dem Ressortchef die Entwicklung jetzt schon erkennbar. Laut den aktuellen Zahlen der Sozialabteilung MA 40 betrug etwa das Plus im vergangenen Mai bereits 4,9 Prozent.

Da die Arbeitslosigkeit bereits um 57 Prozent angestiegen ist, sei eine noch viel höhere Steigerung zu erwarten, warnte Hacker. Laut der Leiterin der MA 40, Agnes Berlakovich, sind Personen im Alter bis 44 Jahre bzw. Menschen, die ein AMS-Einkommen beziehen, besonders betroffen. Auch finden sich vergleichsweise mehr österreichische Staatsbürger bei den Neuanträgen als in sonst.

Weniger Junge, mehr Ältere

Ein Rückgang in Sachen Mindestsicherung konnte zum zweiten Mal in Folge verzeichnete werden. Besonders stark fiel das Minus bei den 19- bis 25-Jährigen aus. Nichtsdestorotz soll für diese Gruppe  2020 eine neue Maßnahme umgesetzt werden. Eine neue Anlaufstelle namens "U25" wird für junge Menschen zwischen 15 und 24 Jahren konzipiert. Bei den Über-60-Jährigen stieg die Zahl hingegen an.

Insgesamt 74 Prozent aller Betroffenen erhielten eine Aufstockung eines vorhandenen Einkommens, also etwa von Lohn, AMS-Bezug oder Notstandshilfe. Konkret bezog diese Gruppe im Durchschnitt 629 Euro monatlich aus der Mindestsicherung. Erwerbstätig waren 8 Prozent. 26 Prozent wiesen hingegen kein Einkommen auf. Die meisten der nicht-erwerbstätigen Bezieher waren Kinder oder Menschen im Pensionsalter.

45 Prozent der Empfänger besaßen eine österreichische Staatsbürgerschaft. Ihre Gesamtzahl ist laut dem aktuellen Mindestsicherungsbericht im Vergleich zum Jahr 2018 um 7 Prozent gesunken. Jene der Drittstaatsangehörigen stieg hingegen um 13 Prozent - wobei der Zuwachs 2018 sogar noch 28 Prozent betragen hat, wie im Bericht ausgeführt wird.

Die Ausgaben für die Wiener Mindestsicherung reduzierten sich um knapp 20 Mio. Euro auf 640,1 Mio. Euro. Die finanzielle Ersparnis fällt mit 3 Prozent geringer aus als der Rückgang bei den Beziehern, der 5 Prozent betrug. Laut Berlakovich liegt dies daran, dass hier die Valorisierung berücksichtigt werden müsse, die von der Entwicklung der Mindestpensionen abhänge.

Hacker für mehr Arbeitslosengeld

Sozialstadtrat Peter Hacker lobte die Mindestsicherung als Maßnahme, die verhindere, dass die Distanz zwischen Menschen mit viel und jenen mit wenig Einkommen nicht zu groß werde. Unzufriedenheit äußerte darüber, dass viele die Mindestsicherung zu einem Einkommen beziehen müssten. "Ich bin der Meinung, arbeiten muss zu einem Einkommen führen, von dem man leben kann." Er plädierte erneut dafür, die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung zu erhöhen.

Denn es sei nicht die Aufgabe der Länder, "Arbeitsmarktpolitik abzufedern". Das Arbeitslosengeld sei in den meisten europäischen Staaten höher, hier müsse es eine Anpassung geben, verlangte er. Die von Türkis-Grün im Bund initiierte Einmalzahlung von 450 Euro für Arbeitslose kritisiert er erneut. Bei "Aufstockern" mit AMS- und Mindestsicherungsbezügen würden sich zudem durch die Einmalzahlung letztere reduzieren. "Ich finde es nicht super, das abziehen zu müssen."

Eine von der Grünen Sozialsprecherin Ursula Berner zuletzt ins Spiel gebrachte Novelle des Wiener Mindestsicherungsgesetzes, um dies zu verhindert, sei rechtlich wohl nicht machbar, vermutete Hacker. Er habe "keinen Bock" darauf, eine Regelung zu schaffen, die vom Verfassungsdienst wieder aufgehoben werde.

"Da gibt es unterschiedliche Einschätzungen dazu", konterte Berner heute in der gemeinsamen Pressekonferenz. "Wenn man kreativ ist, kann man sicher eine Lösung finden", zeigte sie sich zuversichtlich. Sie sei guter Dinge. Hacker sicherte zu, mit einer Lösung einverstanden zu sein - falls es eine solche gebe.

(APA)

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